Rückzug aus der Libyen-Stiftung

Unter Drohung des Fraktionsausschlusses stellt der grüne Abgeordnete Alfred Mechtersheimer Mitarbeit in der Libyen-Stiftung ein / Bewertung weiter strittig / Grüne Abgeordnete müssen Auslandsreisen melden  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Alfred Mechtersheimer stellt seine Mitarbeit in der Libyen -Stiftung ein. Das ist das Ergebnis eines „langen und offenen Gesprächs“ im Fraktionsvorstand der Bundestagsfraktion der Grünen.

Die Fraktionsführung machte deutlich, daß sie das Stiftungsprojekt „weder mit den grünen Ideen noch mit der Arbeitsweise der Friedensbewegung für vereinbar“ hält, erklärte die Sprecherin Antje Vollmer: „Wir sind der Meinung, daß politische Unabhängigkeit nicht ohne finanzielle Unabhängigkeit zu haben ist“. Offen bleibt in der Fraktion weiterhin die Auseinandersetzung über die Bewertung der libyschen Politik.

Alfred Mechtersheimer betonte nach dem Treffen, er halte die Idee einer solchen Stiftung „nach wie vor für politisch richtig“. Der Rückzug sei für ihn „kein leichter Schritt“ gewesen, doch müsse er akzeptieren, daß „es hier deutliche Empfindlichkeiten gibt“. Mit der Vorlage einer Dokumentation „Perestroika in Libyen“ unterstrich er zugleich seine Ansicht, der nordafrikanische Staat habe mit seiner alten Politik gebrochen und suche den Anschluß an die Staatengemeinschaft.

Mechtersheimer versprach seinen Rückzug vor dem Hintergrund eines drohenden Fraktionsauschlusses. Er erläuterte während des Gesprächs erstmalig Einzelheiten seines Engagements in der Stiftung, die nach seiner Darstellung Friedensaktivitäten unterstüzen sollte, und legte auch eine Satzung der in Lichtenstein angesiedelten Stiftung vor. Besondere Ablehnung erfuhr sein Eingeständnis, daß in der mit zehn Millionen Dollar ausgestatteten Stiftung vier der sieben Stiftungsbeiräte Libyer seien, darunter auch zwei Minister. Mechtersheimer gab an, er habe sich bislang erfolglos bemüht, dieses libysche Übergewicht zu verändern. Dennoch zeigte sich Mechtersheimer nach der Sitzung überzeugt, daß dies „nicht zwangsläufig zu einer politischen Abhängigkeit führen“ müsse.

Der Fraktionsvorstand beschloß außerdem, daß die Abgeordneten künftig alle Auslandsreisen, auch Urlaubsreisen, vorher anmelden müssen. Damit soll einem „unabgesprochenen und unbedachten Politiktourismus“ Einhalt geboten werden, erläuterte Helmut Lippelt. Über Ostern hatte die Abgeordnete Angelika Beer, im Februar der Abgeordnete Jochen Brauer Libyen besucht.

Alfred Mechtersheimer bleibe Mitglied der Fraktion „mit allen Rechten und Funktionen“, sagte Lippelt. Ob dieser künftig zum Thema Libyen im Bundestag reden dürfe, sei „dem freien Wettbewerb in der Fraktion überlassen“. Lippelt machte aber klar, daß er sich dagegen wenden werde. Bei den Grünen dürfe man „auch abwegige Meinungen äußern“, sagte auch die Fraktionssprecherin Jutta Oesterle-Schwerin. Selbstverständlich gebe es die „Besorgnis“, daß dies im Fall Mechtersheimer eine negative Wirkung in der Öffentlichkeit haben könne. Sie widersprach Mechtersheimer in einem Pressegespräch nach der Fraktionsvorstandssitzung öffentlich, daß die Fraktion seine umstrittene Rede zum Bau einer angeblichen Giftgasfabrik in Libyen „toleriert“ habe. „Die Stiftung lehnen wir ab, über die Einschätzung Libyens streiten wir“, sagte Lippelt diplomatisch.