Bayerische Linie im Hungerstreik

LKA behauptet: Hungerstreikkampagne der RAF-Gefangenen mit Roten Brigaden abgesprochen  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Das kategorische Nein der bayerischen Staatsregierung zu den Forderungen der RAF-Gefangenen stand offenbar schon am ersten Tag des Hungerstreiks fest. Das geht aus einem vertraulichen Fernschreiben des Landeskriminalamtes München (LKA) vom 2.Februar hervor.

Nur einen Tag nach Beginn des Hungerstreiks heißt es in dem LKA-Schreiben Nr.711/207: „Mit diesem Hungerstreik haben die Häftlinge die derzeitige Kampagne des RAF-Umfeldes aufgegriffen. Seit Oktober 1988 werden im gesamten Bundesgebiet vermehrt Aktivitäten zur Zusammenlegung der Gefangenen aus der RAF und dem Widerstand festgestellt.“ Die Adressaten des Schreibens, das der taz vorliegt, sind die bayerischen Polizeipräsidien, der Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst (MAD), die Staatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Bamberg, die bayerische Grenzpolizei sowie das Wehrbereichskommando.

Eine ganzseitige Anzeige in der taz am 15.10.1988 mit dem Aufruf „Zusammenlegung der politischen Gefangenen - jetzt“ soll der Anfang der Aktion gewesen sein. Der Initiativkreis zum Erhalt der Hafenstraße - wie auch eine Vielzahl Fortsetzung auf Seite 2

anderer UnterzeichnerInnen - hatte ihre Erklärung als einen ersten Schritt bezeichnet, „über die Haftbedingungen der politischen Gefangenen zu informieren“.

Die Behauptung der bayerischen Kriminaler steht auf wackeligen Beinen. So wird reichlich unpräzise aufgeführt: „Seit November 1988 ließen sich zahlreiche Veranstaltungen und sonstige agitatorische Ereignisse mit Bezug zur Zusammenlegung feststellen.“ Darüber hinaus wird in dem Telex unterstellt, die Initiatoren und Teilnehmer der Kundgebungen wären unter anderem „auch zahlreiche Personen des terroristischen Umfeldes sowie Verwandte der Inhaftierten“ gewesen. In ihrem Dienstbereich können die bayerischen Kriminaler nur mit zwei Ereignissen aufwarten. So wurden, wie das Fernschreiben berichtet, am 14.Dezember in der WAA-Stadt Schwandorf Aufkleber

mit fünfzackigen Sternen und den Forderungen nach Zusammenlegung „festgestellt“. Und anläßlich eines 129a -Verfahrens vor dem Obersten Bayerischen Landgericht hätten die „Sympathisanten“ der beiden Angeklagten für „einen Fototermin“ Transparente mit entsprechenden Parolen entrollt.

Die Mitarbeiter des LKA schlagen dann einen weiten Bogen über die untergetauchten RAF-Mitglieder zu ihren italienischen GenossInnen der „Brigate Rose“ (BR). Ein „Gemeinsames Kommunique von RAF und BR“ ist bei den Festnahmen von insgesamt 30 BR-Mitgliedern am 15.Juni in Mailand und am 7.September in Rom sichergestellt worden, heißt es. Und dieses wäre nach dem fehlgeschlagenen RAF -Anschlag auf den Bonner Staatssekretär Hans Tietmeyer am 20.September „erstmals publiziert“ worden.

Ohne auch nur zu behaupten, daß es einen Zusammenhang zwischen dem laufenden Hungerstreik der RAF-Gefangenen und der in Italien aufgefundenen Erklärung gibt, ziehen die Autoren des LKA den Schluß: „Es ist davon auszugehen,

daß mit dem Anschlag auf Staatssekretär Tietmeyer und der Veröffentlichung des gemeinsamen Kommuniques die dort angesprochene gemeinsame Offensive von RAF und BR beginnen sollte.“ Gefährdete Personen und Institutionen müßten daher „nach wie vor als potentielle Angriffsziele gesehen werden“.

Zitiert wird in dem Schreiben auch aus der Hungerstreikerklärung Helmut Pohls, die er im Namen der Gefangenen am 1.Februar den Behörden übergab. Die Passage, die mit den Worten „Wir werden ihnen das umdrehen und einen langezogenen Kampf führen“ beginnt, muß dann als Beleg für die Schlußfolgerungen des LKA herhalten: „Es ist zu erwarten, daß zur Unterstützung des anscheinend auf lange Dauer angelegten Hungerstreiks sowohl der Kommandobereich der RAF als auch die 'illegalen Militanten/kämpfende Einheiten‘ schwerste Straftaten verüben werden“.

65 Tage nach Beginn des Hungerstreiks versicherte der Pressereferent des LKA, daß sich die Einschätzung im Landeskriminalamt nicht geändert habe.