Hochschulen ziehen sich von Messe zurück

■ Auf dem bremischen Gemeinschaftsstand zur Technologieförderung dominieren jetzt junge und dreiste High-tech-Firmen Bremerhaven hat nichts / Auch die BremTec sorgt für den Wissenschaftler-Schwund

Der Bremen-Stand in der Halle 7 ist diesmal wirklich nicht zu übersehen. Das eindeutig höchste Exponat in dem riesigen Raum ist ein Windkraftanlage, von der auch

die zahlreichen anderen, aber eben kleineren Attraktionen der übrigen Stände nicht ablenken können. So ist denn die Anlage, die von Konstrukteur Helmut Pe

ters entwickelt und von der BITZ-Firma „Alternative Energie und Elektrik-Systeme“ gebaut wird, das Produkt dieser Tage. Der Clou: Die Anlage hat kein Getriebe und kann wegen des Wegfalls der Getriebe-Reibung auch in Schwachwind-Gebieten eingesetzt werden. Der Erfolg: „Vier Abschlüsse schon in den ersten Messetagen“, ist Kurt Steinheisser von der Wirtschaftsförderungsgesellschstolz und beeindruckt.

Die WfG hat den Gemeinschaftsstand „junger“ bremischer Unternehmen und Einrichtungen mit rund 140.000 Mark finanziert. Herausgekommen ist dabei zum einen ein neuer Messestand, der dank seiner zwei Ebenen erheblich geräumiger wirkt als seine Vorgänger in den letzten drei Jahren. Herausgekommen ist aber auch eine deutliche Veränderung bei der Herkunft der vorgestellten Produkte. „Die Hochschulen haben einfach kaum noch was Interessantes“, zuckt Stand-Mann Steinheisser die Achseln. Gerade noch fünf Exponate oder Verfahren entstammen den Uni-Labors; in den vergangenen Jahren waren es doppelt so viele. Galt es vor vier Jahren, als der Gemeinschaftsstand zum ersten Mal bremische Technologie in Hannover präsentierte, in Wissenschaftskreisen noch als reputierlich, auf der Industriemesse dabeizusein, ist die Luft inzwischen

raus. Jetzt wird auch offiziell eingestanden, daß die unmittelbaren Industriekontakte der Hochschullehrer zur Vermarktung ihrer Forschungsergebnisse wesentlich ergiebiger sind, als die eher zufälligen Kontakte des Technologie -Transfers oder einer Messe-Präsenz. Vor allem aber, so sagt Steinheisser, gibt es kaum noch Produkte, die das Ausstellen lohnen: „Nicht alles ist messiabel.“

Aus der Hochschule Bremerhaven ist schon zum zweiten Mal überhaupt nichts ausgestellt. Offizielle Version ist, daß die Seestadt zu klein und die Hochschule zu sehr auf die unmittelbare Region ausgerichtet sei, um auf die internationale Hannover-Messe zu fahren. Doch die Bremerhavener Technologie-Berater Wulfes und Ennen, die ebenfalls am Stand herumwuseln, geben uneingeschränkt zu: „Bremerhaven hat nichts“. Sogar auf der BremTec ist die Hochschule praktisch nicht mehr präsent.

BITZ-Firmen drängen

zur Messe

Dafür ist die Nachfrage, vor allem von Firmen, die im BITZ angesiedelt sind oder waren, extrem hoch. Steinheisser zufolge hätten doppelt so viele auf dem Stand unterkommen wollen, wie Platz da ist. Außerdem sind die Privatfirmen mit einem Elan bei der Sache, der den Hochschullehrern

abzugehen scheint: „Die Professoren drehen den Besuchern doch nur den Rücken zu und widmen sich ihren Computern.“

Konkurenz ist dem Bremer Gemeinschaftsstand aus dem eigenen Stall erwachsen, durch die BremTec. Während früher bremische Firmen, wenn sie sich überhaupt auf eine Messe wagen wollten, auf den Gemeinschaftsstand (und seine Kostenlosigkeit) angewiesen waren, benutzen sie jetzt zunächst die BremTec „zum Messe-Üben“ (Technologie-Berater Ennen), bevor sie auf Fachmessen gehen. An einer Präsenz in Hannover, im internationalen Maßstab schon längst ein ähnliches Konglomerat wie die BremTec auf lokaler Ebene, besteht dann nur noch ein geringes Interesse - wenn Messen dann überhaupt noch als „Marketing-Instrument“ genutzt werden. Denn Uneinigkeit herrscht bei den Betrachtern der lokalen Szene darüber, ob es sich beim Rückgang der Bremer Forschungseinrichtungen von der Hannover-Messe hin zur BremTec um einen Trend handelt, der mit dem völligen Verzicht auf solche Schauen endet - zumindest bei Hochschulprodukten. Oder ist mit der BremTec ein neuer Start möglich, wo doch in Bremen die Masse des Publikums noch weniger Sachkenntnis aufzuweisen hat als in Hannover - und wo vor allem der Markt um mehrere Dimensionen

kleiner ist? Die Präsenz von WissenschaftlerInnen auf den nächsten BremTecs wird es zeigen.

Dabei gibt es - zumindest in Hannover - regelrechte Hallenkonjunkturen, hat Wirtschaftsförderer Steinheisser beobachtet.

Bremen-Stand

gut besucht

Im letzten Jahr war das Interesse an Technologieförderung ausgesprochen gering, wohl das Ergebnis der Überfütterung mit diesem Thema. In diesem Jahr scheint der Trend wieder ins Gegenteil umzukippen. Die Besucherzahlen sollen in den ersten beiden Messetagen doppelt so hoch gewesen sein wie im Vorjahr. Zumindest am Bremen-Stand, der in diesem Jahr irgendwie dreister als in den drei Jahren zuvor wirkt. Nicht nur, daß hier das größte Exponat der Halle steht, sondern auch das lauteste: ein Dieselmotor mit einem Partikelfilter zur Reinigung der Abgase von Gabelstaplern oder Baumaschinen. Wenn dieser Motor angeworfen wird und in der Halle herumlärmt, leert sich der Stand nicht etwa, sondern im Gegenteil; Mißmutig von den NachbarständlerInnen aus Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg beobachtet, versammeln sich gleich zwei Dutzend Neugierige. Grund für Steinheisser und Wulfes sich gleich neben den Prospekten aufzustellen.

diba