Geburten, Kinder, Tagesheime

■ Beamte von neuem überrascht: Es gibt viel zu wenig Plätze in KTHS / 2.719 Kinder „überhängig“ Schlimmer als im letzten Protestjahr: 488 Nachfragen mehr / ErzieherInnen wollen kein 21. Kind kriegen

Die halbe Stadt stöhnt genervt auf: „Zu wenig Kindergartenplätze, jedes Jahr wieder das gleiche“.

Nur einer wundert sich: Hans-Albert Wulfken, in Senator Scherfs Ressort zuständig für „Kinder und deren Familien“. Er „hat nicht damit gerechnet“ und ist erst „in diesem Jahr drauf gestoßen“, daß jedes Jahr und damit auch 1989 zunehmend mehr Kinder in den Horten und Kindertagesheimen (KTHs) angemeldet werden. Diese Entwicklung habe er leider vorher und rechtzeitig nicht aus den Zahlen des bremischen Einwohnermeldeamtes ablesen können.

Seit dem Kindergartenjahr 1983/84 steigt die Zahl der Anmeldungen und Ablehnungen kontinuierlich. Im April 1988 hatte der „Nachfrageüberhang“ 2.231 überzählige Anmeldungen betragen (bis zum Beginn des Kindergartenjahres im September auf „überschüssige“ 1.300 Kinder geschrumpft). Im April 1989 ist inzwischen die Skandalzahl vom Vorjahr um 488 ausgesperrte Kinder angestiegen. Der 89er „Nachfrageüberhang“ besteht aus 2.719 Kindern, die nach heutigem Stand keinen Platz in einem KTH oder Hort bekommen: 225 in der Östlichen Vorstadt,

260 in der Neustadt, 218 in Schwachhausen...

Personalrätin Ilse Grunewald: „Ich find‘ das nicht überraschend. Wir haben seit Jahren gesagt, daß das ein Aufwärtstrend ist. Ich weiß auch nicht, warum die immer denken, es würde weniger.“ Die Zahlen des Statisti

schen Landesamtes sprechen eine deutliche Sprache: Seit 1984 leben zunehmend mehr 0-jährige in Bremen: 4.147 (l984) 5.060 (1988). Außer der absoluten Zunahme der Geburten gibt es für die Personalrätin Grunewald noch mehr Gründe für den absehbaren „Anmeldeüberhang“: Er

stens die eingewanderten „Aussiedlerkindler“. Zweites die zahlreichen Alleinerziehenden, die berechtigterweise „zusehen, daß sie ihr Kind unterbringen können“. Drittens die veränderte gesellschaftliche Einstellung, das heißt: „Es wird immer normaler, das Kind in den Kindergarten zu

geben“.

Die ElternbeirätInnen wollen sich mit dem „Überhang“ wie schon in den letzten Jahren nicht abfinden. Sprecherin Jasmina Wöbbeking: „Daß wir was machen, ist ziemlich klar.“ Sie fordert „1.000 neue Plätze als Sofortmaßnahme.“ Auch der Senat hat ein Programm. Bis 1992 will er 5.000 zusätzliche Kindergarten- und Hortplätze (umgerechnet 30 KTHs) bauen und einrichten, um seine „Versorgungsquote“ von bisher 80 % auf 90 % zu steigen.

Kurzfristig sollen 400 Plätze in Anbauten geschaffen werden, die voraussichtich bis September 1989 gar nicht fertig gestellt sind und die nicht einmal für die 488 Kinder ausreichen, die 1989 mehr angemeldet wurden als 1988. Ein weiterer Lösungsweg, die Gruppen grundsätzlich auf 21 Kinder aufzustocken, wird von den PersonalrätInnen abgelehnt. Auch das Schlichtungsgespräch am Mittwoch brachte keine Einigung. ErzieherInnen weigern sich, ein „zusätzliches 21. Kind (in ihre Gruppen) zu kriegen“. Sozialsenator Scherf hat dem Personalrat aber bereits angedeutet, es gebe in seiner Behörde „Leute, die schon über das 22. und 23. Kind nachdenken.“

Barbara Debus