„Autoverkehr muß wirklich beschnitten werden“

■ BVG-Direktor Lorenzen: Damit die neue Umweltkarte sich rechnet, brauchen wir mindestens zehn Prozent mehr Fahrgäste / Beschleungigung des Busverkehrs und restriktive Parkraumbewirtschaftung sind Voraussetzung

Um nach der im Herbst vorgesehenen Einführung einer preisgünstigen Umweltkarte die rechnerischen Mindereinnahmen ausgleichen zu können, braucht die BVG nach Auffassung ihres Direktors Lorenzen mindestens zehn Prozent mehr Fahrgäste. Wie berichtet, schätzt die BVG die zusätzlichen Einnahmeausfälle auf zunächst etwa 60Millionen Mark jährlich (bei einem einkalkulierten Gesamtdefizit von rund 710 Mio. Mark).

Zur Zeit könnte über die möglichen Kundenzuwächse nur spekuliert werden, sagte Lorenzen der taz. Gerade habe eine Berliner Werbefirma damit begonnen, erste Konzepte für eine phantasievolle Verkaufskampagne nach Vorbildern in Bremen und anderen westdeutschen Städten zu entwickeln. Wesentlich für den Erfolg der Karte werde sein, wie schnell und wie intensiv die „flankierenden verkehrspolitischen Maßnahmen“ realisierbar seien. Schnell und ohne große bauliche Veränderungen ließe sich ein 50 bis 60 Kilometer langes zusammenhängendes Busspurnetz schaffen. Als „essentiell wichtig“ bezeichnete Lorenzen Busspuren auf dem Kudamm, ebenso auf der Albrecht- und Leonorenstraße in Steglitz. Sogenannte Haltestellenkaps seien eigentlich nur noch in reinen Wohnstraßen verwendbar, wo Anlieger ihre Autos auf einer Standspur abstellten. In Hauptverkehrsstraßen könnten Kaps keine Beschleunigung des Busverkehrs bringen, weil haltende oder parkende Fahrzeuge dort heute schon häufig die zweite und dritte Spur blockierten.

Lorenzen betonte dies, da der BVG-Personalrat sich jetzt auf dem Kudamm mit den Kaps begnügen will. Erstens werde es nie gelingen, die vom ADAC heftig bekämpfte Busspur auf dem Vorzeigeboulevard von Falschparkern freizuhalten, und zweitens dürten die Autofahrer nicht unnötig gegen den öffentlichen Nahverkehr aufgebracht werden, erläuterte der Gesamtpersonalratsvorsitzende Mehrner seine überraschende neue Haltung. Nach Ansicht von Mehner hätten Kaps den Vorteil, daß am Kudamm Geschäfte weiter direkt belieferbar sind. „Außerdem könnte jemand seine Frau mal kurz aussteigen lassen, die in einen Pelzwarenladen will.“

„Wo der Individualverkehr sich selbst blockiert, muß der öffentliche Nahverkehr noch zusätzlich eine Bresche bekommen“, umriß Lorenzen demgegenüber seine mit den rot -grünen Regierungsbeschlüssen deckungsgleiche Position. Aus einer ökologischen Sicht gelte es, in Zukunft parallel zu einer gezielten Förderung des Nahverkehrs den Autoverkehr in seinen Möglichkeiten zu beschneiden. Dem BVG-Chef zufolge müssen dazu unter dem Stichwort einer „restriktiven Parkraumbewirtschaftung“ den Autofahrern vor allem die Parkplätze in der Innenstadt weggenommen werden. Probleme sah Lorenzen in erster Linie bei der von der rot-grünen Koalition gewünschten vorzeitigen Inbetriebnahme weiterer S -Bahn-Strecken. Der BVG-Obere: „Wichtig ist, daß die BVG die nötige Zeit für das technische Werk bekommt. Schon in dem jetzt betriebenen S-Bahnnetz gibt es eine ganze Menge Stellen, wo immer noch neue Zugsicherungseinrichtungen fehlen.“ Für einige Nachrüstungen auch konventioneller Art beständen bei der Industrie jedoch Lieferfristen von drei bis vier Jahren. Keine Schwierigkeit wird es nach Lorenzens Prognose jedoch mit der Verkürzung der Taktzeiten auf fünf Minuten bei U-Bahn und Bussen geben.

Thomas Knauf