„Wir möchten keinen Streit haben“

■ In Berlin lebende Kosovo-Albaner demonstrieren heute um 10.30 Uhr für einen Republikstatus der jugoslawischen Provinz

Einen Republikstatus der serbischen Provinz Kosovo und die Einkehr friedlicher Verhältnisse fordern in Berlin lebende Kosovo-Albaner, die für heute um 10.30 Uhr am Adenauer-Platz zu einer Demo aufgerufen haben. Anscheinend hat dieser Aufruf unter den hier lebenden Serben, die im Kosovo nur zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, Unsicherheit hervorgerufen. So soll die Schließung des jugoslawischen Zentrums für heute überlegt worden sein - aus „Angst vor der Unberechenbarkeit der Albanier“. Ein Vorurteil, oder wird die Auseinandersetzung um die Provinz hier weitergeführt?

Man geht sich aus dem Weg, vermeidet öffentliche Diskussionen, die zu einer Eskalation führen könnten, lautet die gängige Antwort. „Wir möchten keinen Streit haben, nicht mit Serben und auch nicht mit anderen“, sagt ein Albaner. „Wir kämpfen mit demokratischen Mitteln gegen das Regime und gegen die Unterdrückung.“ Druck setze es dagegen von der jugoslawischen Militärmission. Einigen Albanern sei aufgrund ihrer politischen Aktivitäten der Paß entzogen worden. Auch von anderen Einschüchterungsversuchen wird berichtet. So erhielten einzelne Personen vor Demonstrationen den Hinweis, nicht an diesen teilzunehmen, da sie andernfalls bei einer Rückkehr nach Jugoslawien mit Schwierigkeiten zu rechnen hätten. Sie würden als Seperatisten und Nationalisten diffamiert. „Aber das sind wir nicht, wir wollen eine Republik innerhalb der jugoslawischen Föderation.“

Viele der in Berlin lebenden Jugoslawen hätten Schwierigkeiten mit den Forderungen der Kosovo-Albaner, lautet die Meinung eines Serben. „Das trifft aber nicht für die kroatische und florinische Intelligenzija zu.“ Anders die Sichtweise eines Kroaten. Viele der Kroaten, die zwischen 30 und 40 Prozent der 3.000 Jugoslawen in Berlin ausmachen, seien gegen die serbische Politik. „Außerdem frage ich mich, wer sich erlaubt, so ein Urteil zu fällen. Wer kommt denn an alle jugoslawischen Arbeitnehmer in Berlin 'ran? Noch nicht einmal ein Zehntel sind in Vereinen organisiert.“ Ebenso widersprüchlich wie die Meinung darüber, was die hier lebende jugoslawische Bevölkerung über den Kosovo-Konflikt denkt, sind auch die Positionen der jeweiligen Gruppen. „Wieso berichten ZDF und WDR in ihren Programmen für jugoslawische 'Gast'-Arbeiter nicht sachlich, sondern sind beinahe auf Belgrader Kurs?“ geißeln die Veranstalter der heutigen Demo die nach ihrer Meinung serbisch eingefärbte Berichterstattung der Fernsehanstalten. Sie berichten über Repressionen und Diskriminierung der albanischen Bevölkerung im Kosovo. Über eine verfälschte Darstellung des Konflikts in den Medien klagt auch ein hier eingebürgerter Serbe, der von Übergriffen gegen die serbische Minderheit im Kosovo erzählt. Getreu der serbischen Position in Jugoslawien spricht er von den Albanern als einer „Minderheit“, die unter Druck aufsteht und die „Mehrheit terrorisiert“. Seinen Namen will er nicht erwähnt haben, verrät aber, daß sich ein neuer Verein „Vu Karadzic“ (Brüder Grimm) in Gründung befinde. Die Initiatoren seien zwar vorwiegend Serben, man wolle aber den Kosovo-Konflikt nicht annehmen. Er bestätigte Bestrebungen, auch Kontakte zu den hier lebenden Albanern aufzunehmen. Daß gemeinsame Gespräche stattfinden werden, hält er für möglich. Man wolle keine nationale und religiöse, sondern kulturelle und historische Arbeit leisten. Ob dies so möglich sein wird, ist allerdings fraglich, denn immerhin liegen die historischen Ursprünge der Serben im Kosovo.

Und noch etwas macht den Erfolg jener Bestrebung unsicher: Kürzlich veranstalteten die Organisatoren des Vereins in Gründung einen Vortrag eines serbischen Historikers. Daraufhin hagelte es beim „August-Bebel-Institut“, das die Veranstaltung mitinitiierte, empörte Anrufe, der Vortrag sei „extrem nationalistisch“ und eine „Hetze gegen Albaner“ gewesen. Von serbischer Seite wurde dies dementiert - und mit einer Gegenanruf-Aktion beantwortet.

Martin Breuninger