Brasiliens Polizei soll Regenwald schützen

■ Präsident Jose Sarney legt einen Plan zur Bewahrung des brasilianischen Regenwaldes vor / Jede ausländische Einmischung zurückgewiesen / Durchsetzung der Maßnahmen bleibt offen / Für Umweltschützer liegt der Sarney-Vorschlag „hinter der Zeit zurück“

Berlin (wps/taz) - „Der Amazonas gehört uns, schließlich liegt er auf unserem Staatsgebiet“, verkündete Brasiliens Präsident Jose Sarney, als er am Donnerstag einen Plan zur Bewahrung des Regenwaldes vorstellte. Der Plan namens „Unsere Natur“ ist offensichtlich eine Reaktion auf interne wie internationale Proteste gegen die systematische Erschließung des Amazonasbeckens. Unter Berufung auf die nationale Souveränität Brasiliens wies Sarney jede ausländische Einmischung zurück. „Wir akzeptieren internationale Hilfe, aber keine Bedingungen“, erklärte er vor lateinamerikanischen Politikern, Wissenschaftlern und Botschaftern. Außerdem gebe es keinen Grund, Alarm zu schlagen, denn erst fünf Prozent des Gebietes seien bisher vernichtet.

Der Plan basiert auf einer umfangreichen Studie, die zwischen Entwicklungsgebieten und Naturschutzzonen unterscheidet, letztere sollen gänzlich unberührt bleiben. Der Einsatz von Quecksilber bei der Goldgewinnung, der zahlreiche Flüsse vergiftet hat, soll künftig eingeschränkt werden und die Anreize für Viehzüchter werden aufgehoben. Die Rinderzüchter haben in den letzten Jahren bei der Erschließung neuer Weideflächen tiefe Wunden in den Regenwald hineingebrannt.

Die Umsetzung des Planes ist jedoch ziemlich nebulös: Es wird zwar eine Umweltstiftung geschaffen und ökologische Belange sollen bei einer Behörde konzentriert werden. Doch hüllt sich die Regierung in Schweigen was die Durchsetzung der Maßnahmen betrifft. Die Armee soll logistische Unterstützung leisten, doch liegt die Hauptverantwortung bei den lokalen Polizeikräften, die aber schon jetzt nicht imstande sind, den Großgrundbesitzern Einhalt zu gebieten. Für die ersten zwei Jahre sind 350 Millionen Dollar vorgesehen.

Sarney lud alle Nationen, die sich um den Amzonas sorgen, dazu ein, diesen Fonds zu speisen. Von Vorschlägen, Teile der Auslandsschuld gegen Garantien für die Bewahrung bestimmter Gebiete zu tauschen („debt for nature swaps“) hält der Präsident nichts: „Beschränkungen der intelligenten Nutzung des Amazonas würden nur die schlimmste aller Verschmutzungen fördern - die Verschmutzung durch Armut.“

Die neuen Daten, die Sarney vorlegte, stammen vom Raumforschungsinstitut bei Sao Paulo, das letztes Jahr wegen der Brandrodung in den Amazonaswäldern Alarm geschlagen hatte. Während Wissenschaftler von einer Abholzung von zwölf Prozent sprechen, geht das Institut von nur 5,12 Prozent vernichteter Waldflächen aus. Dabei beruft es sich auf Bilder vom Landsat-Satelliten der USA, die erst vor einem Monat aufgenommen wurden, also die Zerstörung des Jahres 1988 berücksichtigen. Dabei beziehen sich die Zahlenangaben auf die Verwaltungseinheit Amazonas, die auch weite Grassavannen umfaßt, städtische Gebiete aber ausklammert.

Für Fabio Feldman, den Anführer der Umweltlobby im brasilianischen Parlament, war Sarneys Ansprache „bedauerlich und hinter der Zeit zurück“. Der Präsident wolle „den Amazonasurwald zu den Malvinen Brasiliens machen“. Die argentinische Militärdiktatur hatte vor sieben Jahren auch an nationalistische Gefühle appelliert, um ihr kurzes Eroberungsabenteuer der Inselgruppe zu rechtfertigen. Der Chef der trotzkistischen brasilianischen Arbeiterpartei, Lula, hatte vor kurzem erklärt, Sarney sei der letzte, der auf nationale Souveränität pochen dürfe, schließlich habe er die transnationalen Konzerne ins Land geholt.

Umweltschutz ist keineswegs ein Anliegen, das in Brasilien nur von Ausländern vertreten wird. Seit Jahren kämpfen kirchliche und Ethnologengruppen für die Erhaltung des Lebensraumes der Amazonasindianer. Die von der Brandrodung in ihrer Existenz bedrohten Kautschukzapfer haben sich zusammengeschlossen. Und im Oktober 1988 gab es eine Konferenz in Rio de Janeiro, auf der ein breites Bündnis von Umweltgruppen „eine Feuerpause für den Amazonas“ forderte.

Der Völkermord geht inzwischen ohne großes Aufsehen weiter. So wurden vor kurzem massenweise Goldschürfer in ein Gebiet geflogen, das von den letzten 10.000 überlebenden Yanomami -Indianern bewohnt wird. Den Indianern wurde hingegen nur ein Drittel der von ihnen geforderten Fläche in 19 voneinander getrennten Stücken als Reservat zugesprochen.

Ralf Leonhard