Neuer deutscher Lebensraum im Osten?

■ Bauern aus der BRD können polnisches Ackerland pachten und von polnischen Landarbeitern bewirtschaften lassen

Berlin (taz) - Während den Einreisenden aus Polen in Zukunft 50 Mark Eintrittsgeld für die Bundesrepublik abverlangt werden, können die heimatlosen Junker aus Ostelbien aufatmen: Ein hannoverscher Landmakler vermittelt seit einem Monat finanzkräftigen Großbauern aus der Bundesrepublik Ackergüter in Polen. Wie in alten Zeiten sollen deutsche Bauern Großgrundbesitz pachten, ihren erworbenen Betrieb von einem polnischen Verwalter führen und von genügsamen polnischen Landarbeitern beackern lassen können.

Die Maklerfirma Ulrich Roese bestätigte gestern, daß bereits erste Besichtigungsfahrten mit expansionslustigen Landwirten durchgeführt worden seien. 400 Interessenten hätten sich bereits gemeldet. Die zukünftigen Pächter müßten mindestens 50.000 Dollar in die Gesellschaft einbringen und bekämen ein Dauervisum. Die angebotenen Ländereien von 300 Hektar an aufwärts könnten, so die Landmaklerfirma, zunächst für zehn Jahre gepachtet werden.

Grundlage dieser Renaissance deutsch-polnischer Verhältnisse ist das Warschauer Gesetz vom 23.12.1988 über die „wirtschaftliche Tätigkeit von Ausländern“. Danach kann eine dem Innenministerium unterstellte „Agentur für Auslandsinvestitionen“ über Joint-ventures (mit und ohne polnische Beteiligung) von Ausländern auch in der Landwirtschaft entscheiden.

Am Rande der Hannover Messe bestätigte der Handelsattache der polnischen Botschaft in Bonn, Dr.Walczykiewicz, gegenüber der taz, daß Bundesbürger generell auch Ackerland im Rahmen eines Joint-venture pachten können. Er zeigte sich aber verärgert über voreilige, sensationell aufgemachte Presseberichte. Diese hätten unter anderem zur Folge gehabt, daß sich gestern pausenlos Bundesbürger in der polnischen Botschaft meldeten, die sich ihr Wochenendgrundstück in Masuren, Schlesien und anderswo reservieren lassen wollten. Der Generaldirektor der polnischen Aussteller in Hannover, Usakowsky, meinte: „Wir wollen uns doch nicht aus Polen vertreiben lassen.“

Alexander Smoltczyk