Harrisburg der Ölindustrie

„Der Tanker-Unfall im William-Sund in Alsaka könnte für die Ölindustrie die gleichen negativen Auswirkungen nach sich ziehen, wie der beinahe-Gau im AKW Harrisburg für die US -Nuklearindustrie hatte.“ Was Bushs Innenminister Manuel Lujan bereits am letzten Montag böse schwante, zeichnet sich jetzt, zwei Wochen nach der größten amerikanischen Ölkatastrophe, bereits konkreter ab. Begleitet vom Beifall der Öffentlichkeit hatte der als Umweltschützer bekannte Untersuchungsrichter Kenneth Rohl gegen den Kapitän des Havarie-Tankers, der sich zwischenzeitlich den Behörden gestellt hatte, eine Kaution von 500.000 Dollar als Ersatz für die U-Haft festgesetzt. Zwar wurde diese ungewöhnlich hohe Summe von der nächsthöheren Instanz auf 25.000 Dollar reduziert, doch die Begründung von Rohl, die Katastrophe sei die „schlimmste von Menschenhand angerichtete seit dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima“, zeigt, in welchen Kategorien die US-Öffentlichkeit die Ölpest mittlerweile einstuft.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit sah sich am Donnerstag selbst US-Transportminister Skinner vor dem Handelsausschuß des Senats zu einem bemerkenswerten Eingeständnis genötigt: Die USA, so Skinner, hätten niemals einen Plan zur Bekämpfung einer solchen Ölpest vorbereitet und seien viel zu optimistisch gewesen, was die Fähigkeiten zur Bekämpfung eines solchen Unfalls anginge. Skinner bestätigte, was die Medien bereits von Anfang an behauptet hatten - auch der Konzerngigant Exxon sei auf die Katastrophe nicht mit der notwendigen Ausrüstung vorbereitet gewesen. Er, Skinner, könne deshalb eine Wiederholung eines ähnlichen Unfalles auch nicht ausschließen. Setzt sich dieser Eindruck fest, so hatte sein Kollege aus dem Innenministerium bereits prophezeit, „können wir uns alle Pläne der Ölförderung in Nordalaska und vor den Küsten aus dem Kopf schlagen“.

In Alaskas Hauptstadt kündigten sich bereits erste Konsequenzen in diese Richtung an: Falls die in der Arktis tätigen Konzerne nicht Maßnahmen ergreifen, die ein ähnliches Unglück für die Zukunft ausschließen, will das Staatsparlament die Trans-Alaska-Pipeline vorübergehend dichtmachen, selbst wenn dadurch beträchtliche Steuereinnahmen verloren gehen.

Daß die Zukunftspläne der Ölkonzerne durch deren eigenes Verschulden zumindest vorübergehend auf die lange Bank geschoben werden, deutet sich bereits jetzt an. Zwar hat das zuständige Komitee des Senats sich vor einiger Zeit für die Erkundung der Öl- und Gasvorkommen im „Arctic National Wildlife Refuge“ an der Nordküste Alaskas, unweit der kanadischen Grenze, ausgesprochen, doch will der Vorsitzende des entsprechenden Ausschusses im Repräsentantenhaus nun lieber abwarten. Für den kalifornischen Demokraten George Miller hat der Ölaustritt „viele ernsthafte Fragen über die Fähigkeit der Industrie aufgeworfen, in einer solchen für Umweltschäden anfälligen Region sicher zu arbeiten“.

Ölbohrungen vor der Küste sind seit Jahren zwischen der Industrie und Umweltschutzorganisationen umstritten, im Präsidentschaftswahlkampf des vergangenen Jahres mußte Ex -Ölmann George Bush unter Druck einräumen, daß weitere Ölbohrungen vor den US-Küsten nur zugelassen werden sollten, falls sie „umweltverträglich“ seien. Umweltschutzverbände kritisierten diese Aussage als absurd. Sie argumentieren, daß strengere Vorschriften über den Benzinverbrauch der in den USA produzierten Autos jegliche Ölförderung vor den Küsten überflüssig machen könnten.

Ölkonzerne haben Interesse angemeldet, nicht nur in dem nordalaskischen Naturschutzgebiet, sondern auch vor den Küsten Kaliforniens, Floridas, North Carolinas und Long Islands nach weiteren Vorkommen zu suchen. Letzteres sind allesamt Regionen mit hoher touristischer Bedeutung, ein Unfall hätte somit schwere Folgen für die Bevölkerung weiter Regionen.

Obendrein haben Unfälle mit Bohrtürmen ein wesentlich höheres Schadenspotential: aus der Exxon Valdez flossen 40 Mio. Liter Öl ins Meer, bei dem Bohrinsel-Unfall von 1983 im Persischen Golf und dem Ixtoc-I-Unglück im Golf von Mexiko traten aber jeweils mehr als 700 Millionen Liter aus.

Stefan Schaaf, Washington