Amtliches Schweigen zum Hungerstreik

Fünf weitere Gefangene schließen sich dem RAF-Hungerstreik an / Kein Entgegenkommen staatlicher Stellen / Verhandlungsfrist für Kinkel läuft ab / Lage für Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo wird bedrohlich / Heute Demonstrationen und Kundgebungen  ■  Von W.Gast und J.Voges

Berlin (taz) - 66 Tage nach Beginn des Hungerstreiks haben gestern fünf weitere RAF-Gefangene die Nahrungsaufnahme verweigert. Rolf Clemens Wagner in Bochum und Barbara Perau in Essen haben sich dem Streik ebenso angeschlossen wie Eva Haule, Manuela Happe und Andrea Sievering im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim. Damit hungern jetzt 26 RAF-Gefangene.

Auf offizieller Ebene gab es auch gestern keine Hinweise auf ein Entgegenkommen staatlicher Behörden. Allerdings soll heute die Verhandlungsfrist für den Staatssekretär im Bonner Justizministerium, Klaus Kinkel, ablaufen. Sollte Kinkel kein Ergebnis präsentieren können, wollen mindestens zwei SPD-Justizminister selbst die Initiative ergreifen. Derartige Angebote würden unter den SPD-Ministern abgestimmt, hieß es.

Für Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo - seit dem 1.Februar im Hungerstreik - spitzt sich die Lage unterdessen zu. Die Anwälte der beiden beschrieben ihren Gesundheitszustand gestern zwar als den Umständen entsprechend gut, betonten aber, daß dieser jeden Moment „umkippen“ könne.

Der niedersächsische Justizminister Walter Remmers und der Anwalt von Dellwo, Rainer Koch, haben sich am Donnerstag in Hannover zu einem ersten Gespräch getroffen, über dessen Inhalt Vertraulichkeit vereinbart wurde. Der Sprecher des Niedersächsischen Justizministeriums sagte allerdings gestern, der Anwalt habe in dem Gespräch eine Zusammenlegung von acht Gefangenen in Celle als Minimalbedingung genannt. Er bezeichnete diesen Vorschlag als „völlig illusorisch“, wies aber auch darauf hin, daß eine Vergrößerung der Dreiergruppe im Fortsetzung und Bericht auf Seite 2

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Celler Hochsicherheitstrakt ohnehin zu erwarten sei. Es gebe noch zahlreiche Untersuchungsgefangene aus der RAF, mit deren Verlegung in Strafhaft man rechne. Auch aus Anwaltskreisen verlautete gestern, daß Justizminister Remmers in diesem Gespräch eine Verlegung weiterer Gefangener nach Celle zumindest nicht kategorisch abgelehnt hat. Für die Gefangenen im Hungerstreik komme allerdings keine Lösung in einzelnen Bundesländern, sondern nur eine Gesamtlösung in Frage, hieß es nach dem Gespräch.

Der „Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte“ hat dazu aufgerufen, „die offensichtlich mit gesund

heitlichen Schäden einhergehenden Haftbedingungen aufzuheben“. Eine Voraussetzung dafür wäre eine Gruppengröße von mindestens zehn bis 15 Mitgliedern. Die Zahl der Mediziner und Kirchenmitglieder, die an Bund und Länder appellieren, steigt. In einer vom Kreuzberger Superintendenten Lothar Wittkopf in Berlin herausgegebenen Erklärung fordert eine Gruppe kirchlicher Mitarbeiter und Pfarrer ein Angebot zur Zusammenlegung von den Justizministern der Länder. Auch für die RAF-Gefangenen gelte „das Recht auf ein menschenwürdiges Leben auch unter den Bedingungen einer verschärften Strafhaft“.

Unterstützergruppen haben heute zu bundesweiten Solidaritätsaktionen aufgerufen. In Berlin, Stuttgart, Kiel und Amsterdam wollen sie für

die Zusammenlegung der Gefangenen demonstrieren. Kundgebungen soll es weiter in Dortmund, Bielefeld, Marburg und Duisburg geben.