RUND UM DEN TISCH

■ Die neue Teufelsberg-Filmproduktion „Bon Appetit“ im Moviemento III

Kitsch ist, wenn Sie den Dessertlöffel oberhalb des Tellers ablegen. Den Kebab haben unsere ausländischen Mitbürger eingeschleppt. Pizza Salami macht sich gut mit französischem Rotwein. Und Frauen bevorzugen die leichte Zwischenmahlzeit, einen Joghurt nature für 29 Pfennige. In „Bon appetit“, dem neuen Teufelsberg-Film der Zabel-Family um den „teutschen“ Camp-Zampano Ades erfahren wir all das über das Essen, was wir wirklich nicht wissen wollen. Weil es den Geschmack verdirbt, den Magen zwickt und das Auge verhungern läßt. Wir sind Gast bei einem Souper für zwei, das den Macho zwischen die Schenkel zwingt, lernen den Verdauungsgang von der Speiseröhre bis zum Mast- bzw. Enddarm kennen, und beobachten den Kaffeeklatsch unter Freundinnen mit Krankheitsmuster und Blätterteigteilchen vom Bio-Bäcker.

In ekligen Farben, zuweilen mit schlechtem Ton, und katastrophalen Akteuren und Aktricen jagt Amateurregisseur Ades Zabel den Zuschauer um jeden Tisch, der herumsteht, nebenan und über uns und eine Querstraße weiter.

Da kämpft der verpennte Student um die bessere Hälfte des verschimmelten Aldi-Toasts, der 17-jährige serviert der schmatzenden Kleinfamilie sein „Coming-out“ zum Sonntagsbraten, und das junge Glück vögelt auf dem Balkon, derweil die Pizza im Backofen zu Kohle verbrennt. (Ich sage nur „Timing“ Q.) Damit wir den appetitlichen Faden nicht zwischen den Gängen verlieren, moderieren zwei munter drauflos (dabei mit beachtlichem Talent Vivian Wilm), ganz wie im Küchenmagazin „Haps“ auf DDR I. Höhepunkt des 60minütigen Super-8-Streifens ist Chou-Chou de Briquette als debile Hinterhofgöre, die wie eine Weltmeisterin schielt, mit Zahnlücke und Rock bis unter die Achselhöhlen.

Zabel kennt sich aus. Im Milieu des Hetero-Terrors (Fuck you Elmar Q.) ebenso wie in Werbespots und Großraumküchen. Nur der Schwule als Regisseur kann so mit dem kruden Spießer umspringen, hat er doch nie die Chance dazuzugehören. Seine liebevoll sehnsüchtige Nähe zum kleinkarierten Detail erwächst aus der schrillen Distanz zum piefigen Alltag. Mit überdrehter Kritik und geschmacklosem Spott läßt sich diese Distanz aushalten und entschärfen.

In drei Jahren ist Talent Zabel ganz oben, wenn er so weiter arbeitet wie bisher, aus dem tuntigen Kleinbürgervoyeur wird ein genialer Unterhalter. Die historische Chance beim Start dabeizusein kann man sich nicht entgehen lassen.

Elmar Kraushaar

„Bon appetit“, täglich 21.30 Uhr im Moviemento III.