Eisige Winde auf Exxons PR-Etage

Kritiker der Ölkatastrophe sprechen vom „Tschernobyl Amerikas“ / Konzern mit Schadensersatzklagen eingedeckt / 2.000 Soldaten auf dem Weg ins Öl / Wichtigster Fischereihafen der USA bedroht  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Angesichts der Dimensionen des Schadens, den die Ölpest an der Südküste Alaskas verursacht hat, drängen sich Vergleiche mit anderen von Menschenhand herbeigeführten Katastrophen auf. Vom „Tschernobyl Amerikas“ redet ein amerikanischer Naturschützer. „Seit Hiroshima“ habe man nicht mehr solche Zerstörung vor sich gehabt, meinte ein Richter in New York, bevor er die Kaution für den Kapitän der „Exxon Valdez“ auf die gewaltige Summe von einer Million Dollar festlegte - was ein anderer Richter am nächsten Tag freilich auf 25.000 Dollar reduzierte.

Exxon gelingt es inzwischen nicht einmal mehr, ihre PR -Arbeit in den Griff zu kriegen. Die Empörung der Fischer im Prinz-William-Sund über die verspäteten und unzureichenden Säuberungsmaßnahmen sowie über die Arroganz, mit der Exxon die Hilfe der Ortsansässigen ablehnte, staute sich tagelang auf, bevor sich auch nur ein Top-Mann des Konzerns in der Hafenstadt Valdez blicken ließ. Die hitzige Konfrontation des „Town Meetings“ mit dem Exxon-Boß lieferte dramatische Bilder für die Fernsehgesellschaften - Exxons PR-Bemühungen konnten den Schaden für die Firma nicht mehr begrenzen. Im Gegenteil: Sie machten das Versagen der Säuberungsversuche täglich deutlicher.

Nun braucht die Exxon-Zentrale nur noch die TV -Abendnachrichten einzuschalten, um die nächste Unmutswelle auf sich zurollen zu sehen. „Exxon soll schon einmal ein Büro für unsere Schadensersatzklagen einrichten“, erklärte ein Fischer vor der Kamera, während er durch den Ölschlick stapfte. Auf Klienten hoffende Anwälte sind in Scharen in Valdez eingetroffen, mindestens vier Klagen sind bereits beim Staatsgericht von Alaska und beim Bundesgericht in Anchorage eingereicht worden. Die daraus resultierenden Prozesse sollen Musterprozesse für andere Geschädigte werden. Schadensersatzsummen wurden noch nicht genannt. Die Prozesse richten sich nicht nur gegen Exxon, sondern auch gegen ein aus acht Ölunternehmen bestehendes Konsortium, das die Pipeline durch Alaska betreibt, sowie in einem Fall gegen den Staat Alaska. Der demokratische Kongreßabgeordnete George Miller aus Kalifornien befand nach einem Besuch in Valdez, daß die Bush-Administration versagt habe, als es galt, Entscheidungen über Rettungsmaßnahmen zu treffen. Miller, in dessen Kongreßausschuß die weitere Ölexploration an Alaskas Nordküste bewilligt werden muß, sagte, Bush habe das Ausmaß der Krise und die Schuld der Ölindustrie grob unterschätzt. Erst am Freitag vergangener Woche hat Bush angeordnet, daß die Küstenwache die Leitung der Aufräumarbeiten übernehmen werde und daß bis zu 2.000 Soldaten Hilfe leisten sollen.

Mittlerweile treibt ein Teil des Ölteppichs auf den wichtigsten Fischereihafen der USA, Kodiak, zu. Bislang konnten erst knapp sieben Prozent des Öls, das sich inzwischen auf rund 8.000 Quadratkilometer ausgedehnt hat, von der Wasseroberfläche abgesaugt werden.