24 Stunden Feuerzauber in Port-au-Prince

Rebellion in Haitis Hauptstadt niedergeschlagen / Dauerfeuer mit PLatzpatronen gegen aufständische Militärs / Trotzdem 30 Tote Auch dem Kommandanten gelang die Flucht / Hilferuf um Medikamente an die Vereinigten Staaten  ■  Von Ralf Leonhard

Berlin (taz/wps) - Nach fast 24stündigem Dauerfeuer, das die Hauptstadt in Schrecken versetzte, aber wenig sichtbaren Schaden anrichtete, ist es den regimetreuen Truppen in Port -au-Prince offenbar gelungen, eine seit acht Tagen brodelnde Rebellion niederzuschlagen. Die Regierung unter Generalleutnant Prosper Avril verkündete Samstag nachmittag über Radio, daß die aufständischen Kasernen erobert seien und appellierte an die versprengten Einheiten der Rebellen, sich zu ergeben; ihr Leben würde dann geschont werden. Claude Raymond, ehemaliger Finanzminister unter Fran?ois Duvalier, sei als Rädelsführer festgenommen worden. Er habe die Anhänger der 1986 gestürzten Duvalier-Dynastie wieder an die Macht bringen wollen.

Der Angriff der über 1.000 Mann starken Präsidentengarde auf die Dessalines-Kaserne, gleich neben dem Nationalpalast, hatte Freitag nacht begonnen. Kurz darauf sollen sich die ersten Soldaten aus dem belagerten Gebäude davongemacht haben. Einzelne Soldaten wurden dabei beobachtet, wie sie sich der Uniformen entledigten und in Seitenstraßen untertauchten. Auch dem Kommandanten, Oberst Guy Fran?ois, gelang die Flucht. Die „Leoparden„-Kaserne im Nobelvorort Petionville soll Samstag vormittag gefallen sein. Seit 1957, als Fran?ois Duvalier die Präsidentschaft übernahm, hat die Armee ihre Gewehre nicht mehr gegen die eigenen Kollegen gerichtet. Auch diesmal handelte es sich eher um psychologische Kriegsführung denn um eine gewaltsame Konfrontation. Die Karabiner und Artilleriegeschütze vor der Dessalines-Kaserne waren nämlich mehrheitlich nur mit geräuschvollen Platzpatronen geladen. Die Fassade des belagerten Gebäudes wies daher am nächsten Tag kaum Schäden auf. Trotzdem forderte die Auseinandersetzung einen hohen Blutzoll: Mindestens 30 Personen sollen umgekommen sein, davon drei Zivilisten und sechs Mann der loyalen Truppen. In das Zentralkrankenhaus wurden 17 tote Rebellen eingeliefert.

Die 700 Mann des Dessalines-Elitebataillons und die 400 Soldaten der „Leopards“ hatten sich erhoben, nachdem Anfang der Woche die drei Anführer eines Putschversuches ins Ausland abgeschoben worden waren: die Obristen Himmler Rebu, Philippe Biamby und Leonce Qualo. Freitag besetzte eine Kampfeinheit des Dessalines-Bataillons den katholischen Sender 'Radio Soleil‘ und ließ ihre Forderungen ausstrahlen. Sie verlangten den Rücktritt von Generalleutnant Avril, der sich im September an die Macht geputscht hatte. Sie beschwerten sich, er begünstige die Präsidentengarde bei der Besoldung und über die Willkür bei der Entlassung hoher Offiziere im Zusammenhang mit einer von den USA geforderten Anti-Drogenkampagne. Verbindungen zum Duvalier-Clan wiesen sie zurück.

Der Regierungssender teilte am Samstag mit, daß die Rebellen den Verteidigungsminister von Jean-Claude Duvalier, Roger Lafontant, als Präsident installieren wollten. Avril hat US-Botschafter Brunson McKinley telefonisch um rasche Medikamentenhilfe gebeten. Dieser hatte schon vergangenen Donnerstag eine deutliche Erklärung zugunsten des herrschenden Regimes abgegeben. Die Wirtschafts- und Militärhilfe Washingtons liegt aber seit dem Putsch von General Namphy im Vorjahr auf Eis.

6AUSLAND AKTUELLMONTAG, 10/4/89