Kieler CDU bläst wieder zur Attacke

Ära Stoltenberg nach 18 Jahren mit der Wahl eines Preußen zum Parteichef beendet / Schleswig-Holsteins CDU wollte sich vom „Barschel-Popanz“ befreien und sägte namhafte Liberale gnadenlos ab  ■  Aus Flensburg Petra Bornhöft

„Die Ära Barschel ist endgültig abgeschlossen. Als schleswig -holsteinische CDU brauchen wir jetzt ein neues Profil. Das bedeutet, solange wir in der Opposition sind, Angriff.“ Mit dieser Ansicht hatte der Parlamentarische Staatssekretär Dr.Ottfried Hennig (52) aus dem Ministerium für innerdeutsche Beziehungen in Schleswig-Holstein geworben und gewonnen. Mit überraschend deutlicher Mehrheit wählten die 386 Delegierten des Landesparteitages in Flensburg den Gütersloher Import zum neuen Parteivorsitzenden. Finanzminister Gerhard Stoltenberg hatte nach 18jähriger Regentschaft in Kiel den Posten des CDU-Landesvorstitzenden geräumt. Mit der Wahl des rechten Vertriebenenpolitikers Hennig gaben sich die Delegierten nicht zufrieden. Verbliebene, namhafte Nachwuchspolitiker des liberalen Flügels im alten Landesvorstand, wie etwa Trutz Graf Kerssenbrock, sägte die Parteibasis gnadenlos ab. Eine Debatte zur CDU-Landespolitik wurde vertagt: „Mit den beiden vorliegenden Anträgen zum Umweltschutz hätten wir uns öffentlich blamiert“, so ein resignierter CDU-Spitzenmann.

Erstmals nach knapp zwei Jahrzehnten mußten sich die Delegierten der strapaziösen Prozedur einer Wahl zwischen vier (rechten) Kandidaten unterziehen. Als Favorit neben Hennig galt der Rendsburger Durchschnittsfunktionär und Bänker Otto Bernhardt (47), den viele wegen seiner Kenntnis von Schleswig-Holstein schätzen. Doch Bernhardt verscherzte sich die Sympathien der dem Kanzler treu ergebenen Nord-CDU mit einem öffentlichen „Denkanstoß“, Kohl solle sich vom Parteivorsitz trennen. Als Kardinalfehler indes werten seine Anhänger eine Erklärung, die Bernhardt zwei Tage vor dem Parteitag abgab. Darin warfen er und die beiden anderen Kandidaten, Peter Kurt Würzbach sowie der Bundestagsabgeordnete Dietrich Austermann, der Springer -Presse „manipulative Einmischung“ vor, weil sie in Interviews Hennig bevorzugt habe. Dazu ein CDU-Politiker: „Wenn Manipulierten gesagt wird, sie seien manipuliert, reagieren sie bockig.“ Der nach einer Stichwahl gegen den Bundestagsabgeordneten Peter Kurt Würzbach erfolgreiche Hennig hatte in seiner Vorstellung das Publikum nicht mit politischen Inhalten gequält: „Alles, was ich empfinde, steckt in dem Satz: wer, wenn nicht wir, und wann, wenn nicht jetzt.“ Mehr noch als mit der Rede über ein neues „Wir -Gefühl“ hatte der Kandidat zuvor Pluspunkte sammeln können durch das öffentliche Bonner Kabinettspoker in den vergangenen Tagen. Seine Person, qualifiZIert als häufiger Besucher der „Zonengrenze“ und Kenner der „Folterknechte in DDR-Zuchthäusern“, wird gehandelt als neuer Minister für Innerdeutsches. Potentielle Prominenz, professionelles Wadenbeißen gegen die SPD-Regierung und die vor sich hin dümpelnde CDU-Fraktion im Kieler Landeshaus bestimmten offenbar den Ausgang der Wahl. Selbstverständlich äußerte sich Hennig vor Journalisten nicht zum Stühlerücken in Bonn. Dazu schwieg auch Stoltenberg, von dem Beobachter der an einen Geriatrie-Kongreß erinnernden Veranstaltung indes den Eindruck gewannen, er habe seinen Schreibtisch in Bonn bereits aufgeräumt. Der Finanzminister - reich beschenkt, stehend beklatscht und abschließend zum Ehrenvorsitzenden der Nord-CDU gewählt - hatte sich von den Delegierten mit einem Rückblick verabschiedet. Während sein (ungeliebter) Nachfolger die Barschel-Affäre kurz als „abgeschlossen“ bezeichnet und in Interviews erklärt, „wir lassen uns nicht mit solch einem Popanz in irgendeine Ecke drängen“, holte Stoltenberg noch einmal kräftig aus. In Erinnerung an den vermeintlichen Barschel-Brief, dessen Bekanntwerden im Herbst letzten Jahres den Verdacht nährte, die CDU-Führung habe Barschels Machenschaften wissentlich gebilligt, wetterte Stoltenberg gegen „verwerfliche Methoden der Fälschung und Verleumdung“. Als Beweis erwähnte er ein „amtliches kriminalwissenschaftliches Gutachten“, demzufolge Barschels Unterschrift in dem Brief gefälscht ist. Zwar hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Doch in der CDU ist zu hören, einige Medien hätten „gegen uns die gleichen Methoden angewandt, wie Barschel sie gegen den politischen Gegner benutzt hat“.