„Man würde uns gerne loswerden“

■ Seit heute streiken StudentInnen des Fachbereichs Sozialwesen gegen den vorgesehenen Umzug von der Uni in die Neustadt / Hochschullehrer: „Politisch haben wir keinen Stellenwert“

Ein kahler Klotz, 300 Meter Luftlinie von der Universität entfernt. An der Betonfassade befestigen zwei StudentInnen ein Transparent: „Kein Umzug - wir bleiben

hier.“ Die da unbedingt in dem quadratischen Kasten aus der Uni-Gründerzeit bleiben wollen, das sind StudentInnen des Fachbereichs Sozialwesen an der Hoch

schule Bremen. Der gesamte Studiengang, einer von vieren der Hochschule Bremen, soll bis zum Februar des kommenden Jahres umziehen. Die Wissenschaftsbe

hörde und die Hochschulleitung möchten die die gesamte Hochschule „Links der Weser“ konzentrieren.

„Die wollen den Fachbereich unattraktiv machen. Wir sind ein ungeliebts Kind“, weiß ein Student zu berichten. Doch ohne Gegenwehr wollen sich die StudentInnen den Umzug nicht gefallen lassen. Seit gestern wird „aktiv-gestreikt“, erst einmal eine Woche, aber das ist „ein offener Termin.“ Mit dem Umzug, so fürchten die StudentInnen, werden die Strukturen des Studiengangs zerschlagen. Dort, bei der Uni, gibt es verschiedene Labors, in denen die angehenden SozialpädagogInnen praktisch arbeiten können, ein Musikraum, ein Medienraum, Holzwerkstätten. Dazu können die Einrichtungen der Universität, die Bibliothek, die Sportanlage, mitgenutzt werden. An der Hochschule, die bislang fest in der Hand der technischen Ausbildungszweige ist, wüden diese für das Studium erforderlichen Möglichkeiten wegfallen.

Doch die StudentInnen wollen mit ihrem Streik nicht nur gegen die Zwangsumsiedlung protestieren, sie wollen die Tage auch nutzen, um über anstehende Änderungen in den Prüfungsanforderungen zu diskutieren. Die Kultusminister der Länder haben bereits eine neue Rahmenprüfungsordnung ausarbeiten lassen, die für die Bremer StudentInnen erhebliche Verschlechterungen mit sich bringen würde. Danach müßte jede StudentIn nach zwei Semestern fünf Teilprüfungen ablegen, um das Vordiplom zu erhalten. Folge wäre, daß das Studium festen Abläufen unterworfen würde. Bislang können Bremens SozialwesenstudentInnen ihre Studieninhalte noch weitgehend selbstbestimmen.

720 StudentInnen sind derzeit

im Fachbereich eingeschrieben, um die Hälfte soll, laut Hochschulplan, abgespeckt werden und das, obwohl jährlich mehrere hundert StudienplatzbewerberInnen abgewiesen werden müssen. Zum Studienbeginn 1988/89 wurden von rund 500 BewerberInnen lediglich 178 zugelassen, einige erst, nachdem sie sich vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt hatten. „Wir bringen kein Geld ein, und haben keine Lobby, deshalb versuchen die uns runterzufahren“, sagt eine Studentin.

Der stellvertretende Fachbereichssprecher, Professor Wolfgang Reichel, sieht es ähnlich. In den nächsten zehn Jahren werde es eine höhere Nachfrage nach Sozialpädagogen geben, dies bestätigten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit. Die Politik aber sei auf Sozialabbau ausgelegt. „Politisch haben wir keinen Stellenwert mehr. Man würde uns gerne loswerden, aber wohin damit.“ Den Streik der StudentInnen beobachtet Reichel, wie die meisten seiner KollegInnen mit Symphatie: „Wir haben da ein gemeinsames Anliegen. Es ist nur nicht einsehbar, ob das ein schlagkräftiges Instrument ist.“

„Durch den Umzug werden vergleichbare Studienbedingungen an der Hochschule Bremen geschaffen“, begründet die Wissenschaftbehörde die Pläne. Eine Argumentation, die Reichel nicht einleuchten mag. Mit den technisch ausgerichtetetn Studiengängen habe man „absolut nichts zu tun“. Statt zu verlegen, solle die Hochschule besser ein Kooperationsabkommen mit der Universität schließen, in der die gemeinsame Nutzung von vorhandenen Einrichtungen geregelt werde. „Aber das schaffen die nicht. Die schließen statt dessen Kooperationsabkommen mit Spanien und China.“

hbk