„Der mit der Metallstange schlägt und schlägt“

■ Augenzeugenbericht eines jungen Mannes über einen Skinhead-Überfall auf einen Mann an der Hasenheide / Obwohl die Polizei zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe des Tatortes war, griffen die Beamten nicht sofort ein / Innensenat will Vorgang überprüfen

Zwei Polizeibeamten ist im Zusammenhang mit einem Überfall von zwei Skinheads auf einen etwa 40jährigen Mann von Tatzeugen zu spätes Eingreifen vorgeworfen worden. Zwei Skins hatten in der Nacht zum vergangenen Sonntag einem etwa 40 Jahre alten Mann angepöbelt und seine Mütze weggerissen. Als er sie wiederhaben wollte, fingen die Skins an auf den Mann einzudreschen. Die Täter wurden nicht gefaßt, - obwohl sich ein Polizeiwagen mit der Nummer B-30513 in unmittelbarer Nähe zur Tatzeit am Tatort befand. Der Mann mußte ärztlich behandelt werden. Der persönliche Referent des Innensenators Pätzold, Werner Matusch, kündigte gestern gegenüber der taz an, die Vorwürfe gegen die Polizeibeamten überprüfen zu lassen.

Wir dokumentieren im folgenden den Augenzeugenbericht eines jungen Mannes.

Südstern um Viertel nach eins in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Wir parken unser Auto am Straßenrand um gegenüber ein Falafel zu essen. Plötzlich auf dem Bürgersteig zwei Skinheads, die einen älteren Freak anspringen und zwei, drei mal mit Karatetritten in seinem Gesicht landen.

Der eine zieht eine kurze Metallstange mit Griff aus seiner grauen Bomberjacke und beginnt ultrabrutal auf den Kopf des Freaks einzuschlagen. Alles geht superschnell. Der andere Skinhead hat auch irgendetwas in der Hand, sichert aber nur ab und guckt um sich. Der mit der Metallstange schlägt und schlägt. Für Sekunden sitzen wir geschockt im Auto, wollen eingreifen, kriegen aber Schiß, weil die Skins bewaffnet sind, wir nicht. Leute gehen vorbei ohne hinzusehen, haben offensichtlich auch Angst. Wir sind mittlerweile aus dem Auto raus. Ich sage zu den zwei Typen, die gerade ohne mit der Wimper zu zucken vorbeigegangen sind, daß wir doch helfen sollten. Sie gehen weiter, ohne sich umzudrehen, als ob sie's nicht gehört hätten. Marion läuft auf die andere Straßenseite, um aus einer Kneipe Hilfe zu holen, ich versuche ein Auto anzuhalten, nichts.

Ein Zufall, das gerade eine Wanne mit zwei Bullen anrollt, ich fuchtle mit den Armen, schreie, sie fahren weiter, die Ampel ist auf rot, sie halten an. Die Skins sind immer noch am Prügeln. Ich renne zur Wanne, klopfe an das Fenster des Fahrers, der weder sein Fenster noch seine Tür aufmacht, und mich entgeistert ansieht. Ich schreie, daß direkt da auf dem Bürgersteig, zehn Meter entfernt, zwei Skinheads einen Typen verprügeln würden. Die beiden Polizisten, Modell „Vaterbulle und Sohnbulle“, halten es nicht für nötig sich umzusehen, geschweige denn auszusteigen. Wo denn, fragt Sohnbulle hinter Glas, ich sage, da, na da, schauen Sie doch! Die Ampel springt auf grün. Vaterbulle sagt, wir kümmern uns drum. Sie fahren los und drehen straßenverkehrsvorschriftsmäßig erst hinter der Kreuzung, wodurch sie noch einmal an einer Ampel zum Stehen kommen. Es ist unglaublich. Während dieser ganzen Zeit haben die Skins weiter geprügelt. Als die Bullen an der zweiten Ampel stehen, hören sie auf, schauen nach uns und zu den Bullen und beginnen ohne Eile Richtung Hermannplatz zu laufen. Dabei passieren sie eine Gruppe von mindestenes zehn bis 15 Leuten an der Hofeinfahrt zum Blockshock, die eigentlich auch alles mitgekriegt haben müßten und nichts getan haben und jetzt auch nichts tun. Die Bullen stehen immer noch an der Ampel, wir rennen zu dem Typ, der geschlagen wurde. Er blutet stark am Kopf, scheint aber ziemlich zäh zu sein.

Ein junger Typ mit Skateboard gibt ihm Tempos. Die jetzt erst an der Stelle eintreffenden Bullen werden von dem Verletzten beschimpft, sie reagieren genervt und bissig, es beginnt ein Wortgefecht, an der Verfolgung der Skinheads scheinen sie kein Interesse zu haben, obwohl wir ihnen sagen, wohin die Skins in normalem Gehtempo verschwunden sind. Mittlerweile treffen andere Polizeiwannen und ein größerer Mannschaftswagen ein. Während die erste Wanne das Ganze im Rahmen der Straßenverkehrsordnung anging, beginnen die anderen Polizeiwagen einach auf der Straße stehen zu bleiben, wodurch es zu einer Verkehrsblockade kommt, was ihnen ersteinmal einen Anlaß zur Regelung des Verkehrs gibt. Zwei Zivilbullen fahren mit ihrem Golf krachend über den Bordstein, springen raus und quatschen etwas in die gezückten Funkgeräte. Niemand von den Bullen, mittlerweile an die 30 Stück, scheint zu wissen, was jetzt hier los ist und was laufen soll, sie stehen rum und haben nichts zu tun, außer „Sohnbulle“, der die Personalien des Verletzten aufnimmt.

Erschreckend war auch, obwohl man dies auch schon kennt, das fehlen jeglicher Zivilcourage bei allen Leuten, die diesen Überfall miterlebt haben. Niemand wollte damit etwas zu tun haben. Es war unglaublich, die Ignoranz der Polizei bei diesem Vorfall hautnah mitzukriegen.