Wehrpflichtverlängerung umstritten

■ Auch CDU-Politiker wenden sich gegen Koalitionsbeschluß, Wehrpflicht von 15 auf 18 Monate zu verlängern / Angesichts Gorbatschows neuer Politik sind 18 Monate Bund nicht zu vermitteln

Bonn (ap/dpa/taz) - Die Debatte über Sinn und Unsinn einer Verlängerung des Wehrdienstes von 15 auf 18 Monate reißt nicht ab. Nach diversen FDP-Leuten, die bereits in der letzten Woche an der Weisheit des Beschlusses ihre Zweifel anmeldeten, hat jetzt auch der niedersächsische CDU-Minister Werner Remmers die Bundesregierung aufgefordert, den Beschluß auszusetzen oder zumindestens noch einmal zu überprüfen.

In der 'Neuen Osnabrücker Zeitung‘ sagte Remmers, die Ergebnisse der Volkszählung, die große Zahl junger Aus- und Übersiedler und die gegenwärtige Phase der Ost-West-Politik lassen große Zweifel an der Notwendigkeit der Wehrdienstverlängerung aufkommen: „Der Mehrheit der jungen Leute ist eine solche Maßnahme zur Zeit gar nicht zu vermitteln.“ Eine Aufhebung des Beschlusses, so Remmers, sei kein Opportunismus, sondern die Fakten sprechen einfach dafür. Remmers bezog sich mit seiner Meinung auch auf die Partei. Der CDU-Bezirk Osnabrück-Emsland, dessen Vorsitzender er ist, hatte kürzlich beschlossen, sich für die Aufhebung der Koalitionsentscheidung einzusetzen.

Daß es auch an der CDU-Basis gärt, zeigen die jüngsten Aktionen des Verteidigungsministers. Rupert Scholz hat die Wehrersatzbehörden angewiesen, die Wünsche der Wehrpflichtigen bei Einberufungen ab 1. Juni (dann 18 Monate) stärker zu berücksichtigen. Abiturienten und Arbeitslose sollen bevorzugt eingezogen werden, aber auch bei allen anderen Wehrpflichtigen soll auf die individuelle Lebensplanung stärker geachtet werden. Außerdem sollen alle möglichst in Kasernen in der Nähe ihres Wohnortes untergebracht werden. Mit diesen angeblichen Zugeständnissen werden sich die Gemüter aber kaum beruhigen lassen. Das Präsidium der FDP bekräftigte am Montag noch einmal, das Thema erneut zum Gegenstand von Koalitionsgesprächen zu machen, nachdem sie im Januar von der CDU/CSU überstimmt worden waren. FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff: „Wir haben genug junge Leute. Eine Verlängerung ist zur Zeit nicht notwendig. Die Entscheidung sollte für drei Jahre ausgesetzt werden, um dann zu schauen, ob sie überhaupt noch notwendig ist.“ Sollte es nicht gelingen, die Union umzustimmen, wolle man den Wehrdienst zum Thema im Bundestagswahlkampf machen.

Die CDU-Militärpolitiker geraten unterdessen langsam in Panik. Peter Würzbach, von Scholz gefeuerter Staatssekretär der Hardthöhe, forderte Kohl auf, der Debatte endlich ein Ende zu machen. Die Auseinandersetzung zwischen Union und FDP seien ein Alarmzeichen für den Zustand der Koalition. Die Entscheidung muß in den nächsten Wochen noch vom Bundestag gebilligt werden.

JG