U-Boot atomar bestückt

■ Widersprüche über radioaktive Gefährdung durch gesunkenes Sowjet-U-Boot

Berlin (dpa/taz) - Der Brand und Untergang des atomgetriebenen sowjetischen U-Boots vor der nordnorwegischen Küste hat 42 von den 69 Besatzungsmitgliedern, unter ihnen der Kommandant, das Leben gekostet. Nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur 'Tass‘ wurden die 27 Überlebenden zunächst von einem sowjetischen Fischereischiff geborgen und anschließend auf einem Kriegsschiff nach Murmansk gebracht. Außerdem bestätigten die Sowjets, daß sich zwei Torpedos mit atomaren Sprengköpfen an Bord des gesunkenen U-Boots befinden. Deren Konstruktion schließe jedoch eine Strahlung auch in großer Tiefe aus.

Ebenso sei die Hülle des rechtzeitig ausgeschalteten Atomantriebs vor Zerstörung sicher, sagt 'Tass‘. Für die offizielle Entwarnung verbürgte sich Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow persönlich bei der norwegischen Ministerpräsidentin Brundtland: „Jedes Risiko einer Atomexplosion oder radioaktiven Umweltverschmutzung ist ausgeschlossen“, versicherte er in einem Telegramm. Die norwegische Regierung will sich damit nicht zufriedengeben: Sie verlangt insbesondere detaillierte Informationen über die Größe der beiden Antriebsreaktoren, die Menge des radioaktiven Inventars und die Art der Ummantelung der Brennelemente.

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Bis Montag nachmittag lagen noch keine Ergebnisse von Tiefwasserproben aus dem Unglücksgebiet vor. Damit wollen die Norweger klären, ob nach dem Sinken des U-Boots auf dem Meeresboden in 1.500 bis 2.000 Metern Tiefe Radioaktivität ausgetreten ist.

Norwegische Militärs bedauerten, daß die Sowjets ein Hilfsangebot ausgeschlagen hätten, „obwohl unsere Hubschrauber lange vor den so

wjetischen Schiffen an der Unglücksstelle hätten sein können“. Möglicherweise hätten mehr als die 27 überlebenden Besatzungsmitglieder gerettet werden können.

Ein Greenpeace-Sprecher in Kopenhagen erklärte am Montag, mindestens die Atomreaktoren müßten geborgen werden. Ein sicherer Einschluß des radioaktiven Inventars auf lange Zeit sei nicht möglich. Der Greenpeace-Sprecher hält eine Bergung des U-Boots für durchaus möglich. Dem widersprach Richard Fieldhouse vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. „Schon die Suche nach den Wrackresten kann Jahre dauern“, meinte der Wissenschaftler.

Nach Ansicht von Experten des Lon

doner Militär-Verlags „Jane's“ sind Strahlungsgefahren durch das gesunkene U-Boot derzeit so gut wie ausgeschlossen. Dieser optimistischen Einschätzung widersprach gegenüber der taz der Hamburger Greenpeace-Experte Gerd Leipold. Nach seiner Ansicht kann der Reaktor schon „während des Brandes oder aber beim Aufprall auf dem Meeresboden erheblich beschädigt worden sein“. Das radioaktive Inventar könne „jetzt oder in hundert Jahren“ freiwerden. Auch die atomaren Sprengköpfe, die „wahrscheinlich Plutonium im Kilobereich enthalten“, stellen nach Ansicht des Greenpeace-Experten ein kaum kalkulierbares Risiko dar.

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