Hungerstreik: Kein Bundesangebot

Nach stundenlanger Debatte bei einer Sonderkonferenz der Justizminister keine Einigung zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen Kinkel hatte fünf Fünfer-Gruppen vorgeschlagen / Mittlerweile hungern 35 Gefangene / Karl-Heinz Dellwo stark geschwächt  ■  Von Wiedemann/Gast

Berlin (taz) - Sieben Stunden haben die Justizminister der Länder gestern über den RAF-Hungerstreik beraten. Das Ergebnis der Sonderkonferenz: null. Die Mehrheit der CDU -regierten Bundesländer lehnte den Vorschlag des Bonner Staatssekretärs Klaus Kinkel ab fünf Fünfer-Gruppen für die RAF-Gefangenen einzurichten. Im Anschluß an die gescheiterte Sitzung erklärten die SPD-regierten Länder Berlin, Schleswig -Holstein, Nordrhein-Westfalen ihre Bereitschaft, mehrere Gruppen von vier bis sechs Gefangenen einzurichten. „Voraussetzung ist allerdings, daß der Hungerstreik vorher abgebrochen wird“, heißt es in einer Erklärung, die gestern abend vorgestellt wurde.

Der Vorschlag Kinkels habe keine näheren Angaben enthalten, wo die Fünfer-Gruppen eingerichtet werden sollen, hieß es nach der Konferenz. Beteiligte berichteten, Kinkel habe diesen Vorschlag als „Privatmann“ gemacht; das heißt, er hatte dafür anscheinend keinen offiziellen Auftrag. Neben den SPD- bzw. SPD/FDP-regierten Ländern unterstützte nur Rheinland-Pfalz den Kinkel-Vorstoß.

Die Erklärung der drei SPD-Länder enthält eine deutliche Absage gegenüber der Zielforderung der Hungerstreikenden: Die Zusammenlegung aller in eine oder zwei Großgruppen sei „aus den konkreten Haftbedingungen nicht begründet“, heißt es. Die Forderung sei „Instrument ihres Kampfes gegen unsere Rechtsordnung. Auch deshalb lehnen wir diese Forderung ab.“ Gleichzeitig erklären die drei SPD-Länder ihre Bereitschaft, „solche terroristischen Gefangenen, die das wünschen, in mehreren Gruppen in unseren Ländern zueinanderzubringen“. Die drei Länder seien bereit, allen Gefangenen „Möglichkeiten zum unmittelbaren Gesprächskontakt untereinander und mit dazu bereiten Dritten zu schaffen“. Darauf folgt der Appell an die Hungerstreikenden: „Machen Sie Schluß mit Ihrem todbringenden Verhalten.“

Auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz sagte der Kieler Justizminister Klingner, dieses Angebot sei nicht früher gemacht worden, weil man bis gestern auf eine bundesweite Einigung gesetzt habe. Der SPD-Vorschlag sei „ein Segment“ des Kinkel-Vorschlags.

Am 69. Tag des Hungerstreiks haben sich gestern weitere sechs Inhaftierte dem Streik angeschlossen. Es handelt sich um Mareile Schmegner in Hannover, Christine Kuby in Lübeck, um Karl-Friedrich Grosser und Günter Sonnenberg in Bruchsal, Rolf Erwin Hartung in Bielefeld und Michael Dietiker in Frankfurt. Dietiker wird nicht der RAF zugerechnet, er bezeichnet sich selber als Mitglied des Fortsetzung auf Seite 2

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„Widerstandes“. Die Zahl der Hungerstreikenden hat sich seit dem 1. Februar damit auf 35 erhöht.

Karl-Heinz Dellwo, ist inzwischen stark geschwächt und hat seinen Hofgang aufgegeben. Sollte diese Woche kein akzeptables Angebot an die Gefangenen herangetragen werden, rechnen die Anwälte mit dem Tod eines der Hungerstreikenden. Carlchristian von Braunmühl, Bruder des 1986 von einem RAF -Kommando getöteten Gero von Braunmühl, hat sich in einem Interview für die Zusammenlegung der Gefangenen in Gruppen von sechs bis acht

Personen ausgesprochen. Bei dieser Lösung könnte auch der Staat sein Gesicht wahren. Eine harte Haltung des Staates würde nur der RAF neuen Zulauf verschaffen. Von Braunmühl ist Mitunterzeichner des neuerlichen Aufrufes der Gruppe Osterappell.

Hanns-Eberhard Schleyer, der Sohn des 1977 getöteten Arbeitgeberpräsidenten, nannte den laufenden Hungerstreik dagegen den „Versuch, erneut die Erpreßbarkeit des Staates auszutesten“. In das gleiche Horn stieß auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Johannes Gerster. Er warnte die SPD-Länder, den Forderungen der RAF -Gefangenen nachzugeben. Mit zweiwöchiger Verspätung kriti

sierte jetzt auch das Zentralkomite der Katholiken, den Verstoß des Berliner Regierenden Bürgermeisters Mompers, der die Bundestagspräsidentin Süssmuth und den Präses der evangelichen Kirche Schmude als Vermittler im Hungerstreik vorgeschlagen hatte.