Kann man mit Skinheads diskutieren?

■ SchülerInnen aus Tegel und Hermsdorf überlegten sich im Cafe GAK, wie sie den brutalen Überfällen von Skinheads ein Ende setzen könnten Polizeigewalt soll nicht in Frage kommen / Dialogsuche ist dagegen als Lösung angestrebt, aber dabei ist Angst vor den Skins im Spiel

In Tegel und Hermsdorf ist die Hölle los. Das machten gestern nachmittag etwa 40 SchülerInnen und Lehrer auf einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Skinheads und Rechtsextremismus plausibel. Schier aus den Nähten zu platzen drohte das Cafe GAK in der Tegeler Schloßstraße angesichts der Hülle und Fülle von Wut und Ratlosigkeit über die prügelnden rechtsradikalen Jugendgruppen, die seit Monaten den Norden Berlins verunsichern. Nicht wenige unter den anwesenden SchülerInnen berichteten über hautnah erlebte Brutalität. Von „über den Schädel gezogenen“ Eisenstangen, Nasenbeinbrüchen und Brustquetschungen, die sie von den Skinheads verpaßt bekommen hatten, erzählten die Jugendlichen jedoch nur am Rande. Viel wichtiger war es den überwiegend 16- bis 18jährigen darüber zu diskutieren, wie sie den hinterhältigen Prügelorgien der Rechtsextremen ein Ende bereiten könnten.

Und da gingen die Meinungen weit auseinander. Es waren vor allem die besorgten Lehrer, die sich zuallerst für ein stärkeres Eingreifen der Polizei einsetzten. „Wenn Euch jemand von denen ans Leder will, dann müßt ihr das sofort der Polizei melden, das ist ganz wichtig“, forderte einer der anwesenden Pauker und - erntete nur mitleidiges Gelächter. Wiederholt sei es schließlich schon vorgekommen, daß auch die Besatzung eines zufällig am Prügelort vorbeigefahrenen Polizeiwagens überhaupt nicht reagiert habe, erwiderte eines der Skinheadopfer. Außerdem, so waren sich die meisten SchülerInnen einig, sei das Problem mit den Rechtsradikalen durch Polizeigewalt nicht zu lösen. „Auch wenn die gefaßt werden, dann werden deren Daten aufgenommen und schwups sind die wieder draußen und prügeln dann umso mehr“, erfaßte eine Schülerin die Situation. Auch der Vorschlag des polizeigläubigen Lehrers, vielleicht die Polizei-Kontrollen auf den nächtlichen Straßen zu verstärken, wollte den Pennälern nicht so recht schmecken. „Dann steht im Endeffekt hinter jedem Baum ein Bulle und bald weiß die ganze Stadt, wann ich auf welcher Demo war“, tat ein Schüler den Vorschlag des Pädagogen ab. Im Endeffekt, so schlossen sich auch andere der Meinung ihres Mitschülers an, würden sich vermehrte Polizeikontrollen auch gegen sie selber richten.

Was also tun? Ausbreitung von Rechtsextremismus sei schließlich ein gesellschaftliches Problem, erklärte eine Schülerin. Deshalb könne es auch nur gesellschaftlich gelöst werden. Mehr Jugendzentren müßten her und mehr Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, forderten die SchülerInnen. Schließlich sei Brutalität noch immer ein Zeichen von Frust gewesen. „Die Skinheads prügeln sich einfach ihre soziale Enttäuschung aus dem Leib“, brachte es ein Schüler auf den Punkt. Das sei auch der Grund für ihre Ausländerfeindlichkeit.

Damit war die Diskussion um das Wörtchen „Dialog“ entbrannt. Weigerten sich einige SchülerInnen entschieden, überhaupt daran zu denken, mit den Skinheads Kontakt aufzunehmen, so gab es doch Stimmen für den Dialog im Cafe GAK. Erste Erfahrungen konnte dazu ein Schüler aus Neukölln beisteuern: „Neulich haben wir uns mit ein paar Skinheads getroffen und sind mit denen in die Kneipe gegangen“, erzählte der Süd-Berliner. Dabei hätten die Rechtsradikalen ihre Fäuste in den Taschen gelassen und seien ihm und seinen Mitschülern statt dessen argumentativ entgegengetreten. „Da sind dann so Sprüche gekommen, daß Hitler geil gewesen sei, weil er die erste Autobahn hat bauen lassen.“ Daran werde deutlich, so der Neuköllner, daß die Skinheads relativ wenig Durchblick in punkto Faschismus hätten. „Es ist möglich mit denen zu reden, und das müssen wir nutzen“, meinte auch einer der anwesenden Lehrer. Schließlich seien viele Skinheads erst 13 bis 16 Jahre alt und wüßten oft gar nicht, wie faschistoid ihre Ansichten seien. „Vielleicht könntet Ihr Euch ja demnächst auch mal hier im Cafe GAK mit ein paar Skinheads treffen“, schlug der Pädagoge vor und - wurde diesmal nicht belächelt. Vielleicht sei das tatsächlich erstmal eine Möglichkeit, dem „Klein-Chicago“ in Tegel und Hermsdorf einen Dämpfer zu erteilen, erklärte eine Schülerin - einstimmiges Kopfnicken in der Runde. Damit es jedoch nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen bleibe, forderte der Lehrer, gleich einen Termin festzusetzen und die Gesprächspartner zu wählen. Das ging den meisten SchülerInnen dann aber doch zu weit. „Na klar“, beklagte einer der SchülerInnen, „ich rede mit denen, die wissen dann wie ich aussehe, kriegen meine Adresse raus, und machen hinterher Hackfleisch aus mir!“

cb