Momper warf Besetzer raus

■ Dreißig Unterstützer des Hungerstreiks hatten des Regierenden Büro besetzt, um Momper zu mehr Zugeständnissen zu bewegen / Momper redete zwar, bestellte aber die Polizei

Walter Momper war beleidigt. Wieso die ausgerechnet sein Büro besetzen, fragte er rein rhetorisch. Für kein anderes Thema als den Hungerstreik habe er im Laufe seiner dreiwöchigen Amtszeit mehr Zeit aufgewendet. „Ich bin es leid, mich ständig mit Besetzungen zu beschäftigen, ich will mich endlich den wirklichen Problemen der Stadt zuwenden!“, rief er mit nicht ganz überzeugender Empörung in die Journalistenrunde. Die 30 BesetzerInnen des Büros des Regierenden Bürgermeisters - Momper nannte sie freundlich „ungebetene Besucher“ - hatte er kurz zuvor räumen lassen. Einzeln wurden sie, da sie nicht freiwillig die Räume im ersten Stock des Rathaus Schöneberg verließen, von der herbeigerufenen Polizei herausgetragen, geschleift, eskortiert von SympathisantInnen: „Isohaft ist Folter Isohaft ist Mord. Zusammenlegung jetzt sofort.“ 26, so die Polizei, seien festgenommen worden. Bei allen wurden die Personalien aufgenommen. Alle bekommen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.

Ganze drei Stunden dauerte die Besetzung, mit der die AktionistInnen erreichen wollten, daß Momper „sofort“ die Zusammenlegung der RAF-Gefangenen in einer Großgruppe in Berlin anbieten sollte. Morgens um zehn Uhr kamen sie, an den Sicherheitsbeamten vorbei ins Rathaus Schöneberg. „Wir sind von der Polizei“, sollen sie gesagt haben, „und machen eine Übung.“ Walter Momper war schon auf der jede Woche dienstags stattfindenden Senatssitzung. Er unterbrach für zehn Minuten und verabredete mit den BesetzerInnen ein Gespräch im Anschluß. Gemeinsam mit Justizsenatorin Limbach wollte er sich der Auseinandersetzung stellen. Solange sollte nicht geräumt werden, sollten die BesetzerInnen im Büro Mompers bleiben können. Und das taten sie auch. Ein Pulk von JournalistInnen wartete vor der Tür. Blitzlichtgewitter, wann immer sich die Glastür öffnete. Selten sind Leute beim unvermeidlichen Gang aufs Klo mit solch heftigem Interesse beobachtet worden. Die AL brachte Kaffee, und so verging der Vormittag.

Es war kurz vor 13 Uhr, als Momper den Saal 192 im Erdgeschoß des Rathauses betrat. Dutzende von JournalistInnen, Foto- und Kameraleute waren da. Von den BesetzerInnen allerdings nur vier. „Ich wollte mit Ihnen ein Gespräch führen, keine Pressekonferenz abhalten“, sagte Momper und blieb an der Tür stehen - die BesetzerInnen verlasen Forderungen und eine Erklärung. Bis Momper „Zusagen“ mache, würden die Restlichen in seinem Büro bleiben, hieß es. Über den Vorschlag Mompers, die Berliner Gefangenen in eine Kleingruppe zusammenzulegen dürfe man „nicht nachdenken“, erklärten die BesetzerInnen. „Dieser Vorschlag beinhaltet keine politische Lösung, sondern kalkuliert den Tod der Gefangenen mit ein“, war die Begründung. Momper solle von Berlin aus das Angebot einer Großgruppe machen, war die Forderung. Nur so komme wieder „Bewegung in die festgefahrene Diskussion“. Außerdem sollten die Forderungen der Frauen aus der Haftanstalt Plötzensee, die zum Teil im Solidaritätshungerstreik sind, erfüllt werden. Angelika Goder müsse freigelassen werden. Alle diese Forderungen zu erfüllen, davon waren die BesetzerInnen überzeugt, stünde in Mompers „Macht“.

„Wenn ich darf, möchte ich gerne auch etwas sagen“, sagte dann der Regierende Bürgermeister. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte er die Räumung seines Büros schon angeordnet. Die BesetzerInnen hätten die Absprache verletzt, sagte er später. Doch die stellen es anders dar. Sie hätten Mompers Erklärung abwarten wollen, ehe sie das Büro räumen wollten.

Doch zunächst konnte Momper noch seine „Betroffenheit“ über den Hungerstreik äußern und „bitten, ihm abzunehmen, daß ihn keine andere Frage in den letzten Wochen mehr beschäftigt“ habe. Für das Engagement der BesetzerInnen habe er „großes Verständnis“. Dann kam von draußen der Ruf „Die räumen da oben“ - und Momper gab zu: Selbstverständlich habe er das veranlaßt. Das am Morgen verabredete „Gespräch“ fand nicht statt.

Bedauern mochte die Räumung am Ende so recht niemand. Harald Wolf, Mitglied im AL-Parteivorstand, erklärte noch unter dem Eindruck der Ereignisse, er hätte es „sinnvoller“ gefunden, die BesetzerInnen hätten das Gespräch mit Momper geführt, statt sich räumen zu lassen. In der offiziellen Presseerklärung von Partei und Fraktion heißt es, man sei der Auffassung, daß angesichts der vom Berliner Senat ausgegangenen Initiativen, dieser nicht der Adressat provozierender Aktionen sein könne, über die man die Unnachgiebigkeit der politisch Verantwortlichen demonstrieren wolle. Die CDU ergriff erneut die Gelegenheit, die „Gewaltfrage“ geklärt haben zu wollen. Momper müsse erkennen, daß er es mit einer selbst verschuldeten Konsequenz aus der Koalitionsvereinbarung mit der AL zu tun habe, in der man sich nicht auf eine klare Absage der Gewalt habe verständigen können. Diepgen: „Der Regierende Bürgermeister muß jetzt die Bremse ziehen.“

bf