Vom Trakt in den Normalvollzug

■ Das Netz der Sicherheitsauflagen für soziale Gefangene, die vorübergehend im Hochsicherheitstrakt waren

Es gibt keinen „Normalvollzug“, schon gar nicht für solche Gefangene, die unter besonderen Sicherheitsbedingungen inhaftiert wurden. Nehmen wir ein Berliner Beispiel, das keine Ausnahme darstellt, sondern die Regel: Vier Gefangene stehen unter dem Verdacht der Justizbehörden, im September 1987 einen Ausbruchsversuch aus der Haftanstalt Tegel geplant zu haben. Sie werden gegen ihren Willen in den Hochsicherheitstrakt des Moabiter Gefängnisses verlegt, in dem bis zuletzt auch die jetzt in der Vollzugsanstalt Plötzensee inhaftierten hungerstreikenden Frauen Gabriele Rollnik und Angelika Goder sowie früher auch die übrigen Häftlinge der Bewegung 2.Juni inhaftiert waren. Dieser Trakt entspricht westdeutschen „Hochsicherheitsstandards“. Nach fast einem Jahr werden sie in den „Normalvollzug“ in die Moabiter Anstalt rückverlegt. Diese Verlegung aus dem Hochsicherheitstrakt ist - wie in allen anderen hier bekannten Fällen auch - damit verbunden, daß die Anstalt die Häftlinge mit besonderen Sicherheitsauflagen belegt.

Diese sind: „Von Hand zu Hand-Verfügung“. Der Häftling wird - wo immer er sich hinbegeben muß, also selbst zum Anwaltsbesuch - von einem Beamten begleitet. Das ist nicht nur lästig, es bedeutet praktisch, daß er sich kaum bewegen kann, weil die Beamten ihn teilweise nicht begleiten wollen, teilweise nicht begleiten können, weil zu wenig Personal da ist. Der Häftling wird einzeln untergebracht. Seine Zelle ist mit Doppel- und Fliegengitter versehen, um das anstaltsübliche und von der Anstaltsleitung bei jedem normalen Gefangenen geduldete Pendeln von Nachrichten und Gegenständen von Zelle zu Zelle zu unterbinden.

Der Häftling muß einzeln baden, nicht in der Gruppe. Er muß seine Freistunde allein auf dem Hof verbringen, nicht in der Gruppe des Hauses, in dem er untergebracht ist, wie die anderen Gefangenen. Er darf nicht arbeiten (Sicherheitsverfügung: „Arbeitszuteilung nur, soweit eine unkontrollierte Bewegung der Gefangenen nicht möglich bzw. Bewegungen auch unter Aufsicht von Bediensteten nicht im Bereich der Außensicherung“). Da es solche Arbeitsplätze nicht gibt, bedeutet diese Verfügung ein Arbeitsverbot. Keine Teilnahme an Gottesdiensten, solange dort Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Gefangenen bestehen, was immer der Fall ist.

Weiter mit der Sicherungsverfügung: „Wiederholte Beobachtungen in unregelmäßigen Abständen unter Benutzung des Türspions“, auch nachts, notfalls unter Einschalten der Beleuchtung. „Verstärkte Durchsuchung des Gefangenen, seiner Sachen (Durchleuchtung) und seines Haftraumes, der Gefangene ist dabei abzusondern.“ Sprechstunden werden wie bei Untersuchungsgefangenen durchgeführt, d.h. unter besonders aufwendigen Kontrollen und im Beisein von Beamten, die zuhören. Danach ist der Gefangene stets zu durchsuchen und abzusondern. Gegenstände (etwa Wäsche) dürfen nur nach Durchsuchung des Hausbüros ausgehändigt werden. Praktische Folge: Der Gefangenen wartet zeitweise länger als eine Woche! Die Gefangenen dürfen nur Anstaltskleidung tragen, keine Privatkleidung. „Der gesamte Schriftwechsel ist dem Hausbüro zuzuleiten; es ist zu verhindern, daß der Gefangene Schriftverkehr über andere Mitgefangene oder auf anderem Wege befördern kann.“

Gegen zwei unserer Häftlinge ist das Ermittlungsverfahren wegen des Ausbruchsversuchs längst eingestellt, weil eine Beteiligung nicht nachzuweisen war. Auch das ist keine Ausnahme: Die Sicherungsverfügungen dauern fort, bis jetzt nahezu zehn Monate nach der „Rückverlegung in den Normalvollzug“. Die praktische Folge dieses „Normalvollzugs“ ist, daß kaum ein Häftliung aus dem Hochsicherheitstrakt in diesen „Normalvollzug“ verlegt werden wollte, weil er die damit verbundenen alltäglichen Schikanen nicht hinnehmen wollte. Dabei ist eins ganz sicher: Das Maß an Sicherheitsverfügungen, das unseren „Ausbrechern“ auferlegt worden ist, ist von den Sicherheitsfanatikern der Anstalt jederzeit zu überbieten. Man darf getrost erwarten, daß für die Gefangenen aus der RAF und anderen militanten Widerstandsgruppen im Rahmen des Rebmannschen „Normalvollzugs“ noch weitere Verfeinerungen des Netzes von Sicherheitsschikanen bereitgehalten werden.

Johannes Eisenberg, Rechtsanwalt, Berlin