(N)Irgendwo zwischen Blues und Pop

■ Ein bißchen „too nice and pretty“ sang Sally Barker im Lagerhaus Immerhin fast 90 Minuten ganz allein und mit guter Laune auf der Bühne

Man sollte einfach nicht mehr pünktlich zu einem Konzert erscheinen. Schon garnicht zu einem, bei dem von vorneherein abzusehen ist, daß es nicht gerade die Massen anzieht. Das altbekannte Debakel: wer (noch) keinen Namen besitzt, lockt kaum einen faulen Hund aus seinem bequemen Sessel hervor. So ging es auch der englischen Singer/Songwriterin Sally Barker, die bei ihrer ersten Deutschland-Tour mit einer guten Handvoll ZuhörerInnen zufrieden sein mußte, und das trotz der jüngsten Erfolge ihrer Sanges-Schwestern vom Schlage Tanita Tikaram, Tracey Chapman oder Melissa Etheridge.

Rein stimmlich braucht sich Sally Barker hinter ihren berühmteren Kolleginnen absolut nicht zu verstecken: sie besitzt ein beeindruckendes Shouter-Organ,

dem anzumerken ist, daß ein Gutteil ihrer frühen Einflüsse aus dem Blues stammt. So ist es denn auch kein Zufall, daß sie einen ihrer Songs dem Blues-Papst Alexis Korner widmet, der nicht nur als Musiker, sondern vor allem auch mit seinen Sendungen auf Radio One die Entwicklung des englischen Rhythm & Blues nachhaltig beeinflußt hat. Auch in „Stormy Monday“ oder dem Chuck Berry-Titel „Don‘ t you lie to me“ erweist sich Sally Barker als souveräne Vertreterin einer Tradition, die ja gerade in England immer wieder neue Talente hervorbringt.

Problematischer wirds da schon bei ihrem restlichen Repertoire, das mit dem Terminus Folk-Pop nur recht unpräzise beschrieben ist. Da dominieren dann Balladen und Liedchen der soft-seichteren Art mit dem bekannten

Flair der Sixties (Joni Mitchell und Carole King lassen schön grüßen); zwar befindet sich unter diesen Stücken die eine oder andere schöne Nummer (z.B. das Liebeslied „The Worry“), aber insgesamt bewegt sich Sally Barker da doch zu sehr auf schlüpfrigem Terrain, das von Schlagersternchen wenn nicht besser, so doch zumindest erfolgreicher abgegrast wird.

Überhaupt drängt sich auf Dauer der Eindruck auf, daß ihr mit einer Backing Band besser gedient wäre - oft fehlt der Druck eines Schlagzeugs oder die Auflockerung durch das eine oder andere Soloinstrument. Zwar spielt sie ihre verstärkte akustische Gitarre kompetent und fehlerlos, aber die immergleiche Klangfarbe wirkt im Laufe des Abends doch recht ermüdend.

Immerhin: fast 90 Minuten

ganz allein auf der Bühne zu stehen und die zu späterer Stunde doch etwas angewachsenen Zuhörerzahl bei guter Laune zu halten, ist ja auch eine Leistung. Und mit ihren erst 28 Jahren hat sie ja noch ein bißchen Zeit, sich ein unverwechselbareres Profil zu erarbeiten. Jü