Plankton macht das Wetter schlecht

■ Polarstern“ kehrte von Antarktis- Expedition zurück / Forschungsminister Riesenhuber erzählte, wie es gewesen ist Alfred-Wegener-Institut sucht „natürliche“ Ursachen der drohenden Klimakatastrophe

Der Minister für Forschung und Technologie kam im Donner der Rotoren aus den Lüften, geradewegs von der Hannovermesse, wo bundesdeutsche High-Tech nun schon tagelang medienwirksame Triumpfe feiert. Er landete im Blitzlichtgewitter der Lokalpresse auf dem Helikopter-Deck des leistungsfähigsten deutschen Forschungsschiffes, der „Polarstern.“ Zweck seiner Blitzreise nach Bremerhaven: „Kraft und Glanz der deutschen Meeresforschung sichtbar zu machen.“ (Originalton Dr. Heinz Riesenhuber).

Im Konferenzraum der „Polarstern“ saß Riesenhuber dann eingerahmt von Professoren des Alfred-Wegener-Instituts und plauderte über die letzte Reise des Schiffs, fast als ob er dabeigewesen wäre. Erst am vergangenen Donnerstag ist die „Polarstern“

von ihrer antarktischen Sechs-Monats-Tour zurückgekehrt, beladen mit 130 Wissenschaftlern, die dort unter anderem die Biologie des Weddell-Meeres untersucht hatten. Mindestens ebenso wichtig aber sei die lange Reise ins südliche Eismeer und zurück gewesen, sagte Riesenhuber, denn unterwegs hätten die Wissenschaftler die Spuren der Schadstoffe verfolgt, die von den Industrieländern der nördlichen Hemisphäre erzeugt werden. Diese „transozeanischen Schnitte“ hätten ergeben, daß die Substanzen im Wasser und in den Meerestieren des Südatlantiks zwar nicht mehr so konzentriert auftreten, wie im Norden. Aber Winde und Meeresströme verfrachten unsere Industrieabfälle bis an die eisigen Gestade der Antarktis.

Gibt es für das Ozonloch und den

Treibhauseffekt auch nicht-industrielle, natürliche Ursachen? Vielleicht das Meeresplankton? Die Wissenschaftler an Bord der „Polarstern“ haben herausgefunden, daß diese kleinen Lebewesen gasförmige Schwefelverbindungen absondern. Pro Jahr mehrere Millionen Tonnen, die aus den Ozeanen steigen und an der Luft zu Schwefelsulfaten oxydieren. Blasen dieses Gases wirken als „Kondensationskerne“, das heißt, sie machen Wolken: Je vitaler also das Plankton, desto trüber der Himmel, und das hat Folgen für den „Strahlungshaushalt“

und damit die Temperatur der Atmospäre. Eine neue Erkenntnis? Ja, meinte Riesenhuber, erst mit neu entwickelten Analysengeräten wären die Wissenschaftler auf die Spur dieses Schwefeltransfers gekommen.

Auch am Nordpol will sich das Alfred- Wegerner-Institut, das zu 90 Prozent von Riesenhubers Ministerium finanziert wird, auf die Suche nach solchen Ursachen für den Treibhauseffekt machen, die der Mensch nicht auf seine Kappe nehmen muß. Schon am 20. April wird die „Polarstern“ wieder in See stechen. Aus uraltem Grön

landeis und aus dem Grund des arktischen Meeres wollen die Wissenschaftler dann Proben ziehen, um die Annahme zu beweisen, daß der Gehalt an Kohlendioxyd auch in der fernsten Vergangenheit der Erdatmosphäre großen Schwankungen unterlag.

Daß solche Forschungsergebnisse die regierungen verleiten könnten, angesichts der drohenden Klimakatastrophe die Hände in den Schoß zu legen, das befürchtet Greenpeace. Dennoch hält Irmi Mussak, Antarktis- Referentin der Umweltschutz Organisation, die Untersuchungen

des Alfred-Wegener-Instituts für wichtig. Ehe der Minister dem Grenzschutz-Hubschrauber entstieg, hatte sie ein Flugblatt auf die Stühle der JournalistInnen gelegt. Greenpeace fordert einen „Weltpark Antarktis“ und den Verzicht auf jeglichen Rohstoffabbau. Daß die Bundesregierung dennoch dem internationalen Abkommen über die Ausbeutung der antarktischen Bodenschätze beitreten werde, daran ließ Riesenhuber keinen Zweifel. Bergwerke und Ölbohrtürme dort seien aber „in den nächsten 20 Jahren nicht sinnvoll“.

mw