DIE WARE LIEBE

■ „Faux Pas de Deux“ von Lothar Lambert im Kid

Wie hoch ist der Preis für einen künstlerisch ambitionierten Friedhofsgärtner auf dem zwischenmenschlichen Markt von Geld und Gefühlen? Die Antwort darauf hält uns zwar Lothar Lambert in seinem 1976 gedrehten „Faux Pas de Deux“ vor, aber dafür zeigt er in drastischer, unverblümter Geradeausmanier eine „Warenbeziehung“ (Lambert) zwischen zwei Menschen, die nicht anders können als zu scheitern. Ein Scheitern, das Lambert mit einer Melodramatik nachvollzieht, die eine Dokumentation von Gefühlen ist und nicht deren Inszenierung.

Yvonne ist eine ins Alter gekommene Schauspielerin (in überdrehter Selbstdarstellung gespielt von Sylvia Heidemann), die ihr Leben lang „dem Film, Film und Theater“ verschrieben war. Behauptet sie zumindest - ob das stimmt oder nicht, läßt Lambert offen. Es ist nicht sein Anliegen ihre Vergangenheit zu bewältigen, was reizt, ist ihre Gegenwart: ihre Lebenslust gegen das Altwerden, ihr Verlangen, ein Mittelpunkt zu sein, nur ein bißchen und noch ein wenig mehr, denn da ist die Angst vor der großen Einsamkeit, dem Tod. Einfache Bedürfnisse, deren Befriedigung nur zu oft Selbstausbeutung bedeuten - an Gefühlen und manchmal auch an Geld. Aber als sie Uwe „entdeckt“, ist das mehr als ihre bloße Selbstlosigkeit, ein verkanntes Künstlertalent fördern zu wollen. Sie braucht seine Anwesenheit, nimmt ihn als Lebenselexier, macht ihn zur Hülle, zur Staffage ihrer Träume, obwohl sie es doch gut meinte. Uwe ist eine solche Behandlung gewohnt, die Auflehnung dagegen frißt er in sich hinein. Seine mickrige Friedhofsgärtner-Existenz versüßt er sich mit dem Tagtraum vom Hobbymaler, der eines Tages ein großer Künstler wird. Eine kleine Flucht, für die trotzdem kein Platz ist in seinem lumpenproletarischen Umfeld („Pinselste schon wieder?“), das Lambert mit rüder Sinnlichkeit betrachtet. Als Yvonne ihn in einem regelrechten „Kuhhandel“ seiner Mutter abkauft, wird mit ihm ein Schritt nach vorn gemacht, aber kann man jemandem, der niemals auf seinen eigenen Beinen stand, der immer rumgeschubst wurde und sich bisher einfach nur treiben ließ, einen Vorwurf daraus machen, wenn er den Weg für seine eigenen Schritte nicht findet?

Lamberts Berliner „Boulevard der Dämmerung“ ist dort, wo er seine Augen und Ohren hat, im Milieu der „einfachen Leute“, die sind, was sie sind, mit ihren kleinen Sehnsüchten und großen Verzweiflungen. Sein Hollywood ist das Hansaviertel, 13.Stock über der Stadt, „um in Ruhe das Schöne zu genießen“ - sagt Yvonne zu Uwe. Was ich an Lamberts Filmen grundsympathisch finde, ist die warmherzige Zeichnung seiner Figuren ohne moralischen Fingerzeig, ohne soziale Denunziation. Uwes - auch schauspielerisch - unbeholfene, holprige Versuche, mit sich, Yvonne und seinem Schwulsein klar zu kommen, nimmt man ernst, gerade wenn sie lächerlich und daneben wirken. Wenn Uwe in seinem neuen, ihm aufgestülpten Dasein immer mehr und mehr leerläuft, möchte man ihn als Zuschauer am liebsten mal ganz freundschaftlich als Arsch bezeichnen, den er gefälligst hochzukriegen hat. Und Yvonne möchte man bei einem Kaffeeplausch verklickern, daß es doch für beide besser wäre, ihn nicht mit ihren Ansprüchen und ihrer Theatralik zu ersticken. Doch hier haben wir es mit Kino zu tun, und die guten Ratschläge des Zuschauers sind überflüssig angesichts der Ausweglosigkeit, mit der sich das Drama zwischen den beiden nach zuspitzt. Am Schluß, wenn beide nach lagem Waten durch ihre psychischen Sümpfe doch etwas von der Nähe erreicht haben, nach der sie sich krampfhaft gesehnt haben, ist es zu spät. Yvonne, ihr schönstes und letztes Make-up tragend, stirbt auf einem Tuntenball tanzend in seinen Armen. Ein schöner Tod für sie, und Uwe steht am Ende wieder am Anfang: auf dem Friedhof!

Andreas Döhler

Ab heute täglich im Kid (Kant-Kino) um 12, 21 und 23 Uhr.