Die Swapo bastelt an ihrem Mythos

Mit der Rückkehr von bewaffneten Kämpfern nach Namibia hat die Befreiungsbewegung den Feind gesucht und gefunden / Die politische Elite und schwarze Gewerkschaftsführer wurden vor den Kopf gestoßen / Die Sympathien der Mehrheit des namibischen Volkes bleiben der Swapo jedoch erhalten  ■  Aus Nakayale Knut Pedersen

„Unsere Leute werden im Busch abgeschlachtet, und ich kann ihnen nicht helfen.“ Seit mehr als 20 Jahren an den Rollstuhl gefesselt, fühlt sich Jacob Kuhangua, der Mitbegründer und spätere Generalsekretär der Swapo, hilfloser denn je. Auf der Veranda des kleinen Dorfspitals von Nakayale, 70 Kilometer nord-westlich von Osnakati, der wichtigsten südafrikanischen Garnisonsstadt im Norden Namibias, saß der alte Mann mit dem Rücken zum grellen Neolicht. Sein wacher, besorgter Blick verliert sich in der Finsternis einer sternlosen Nacht. „Niemand kann der Swapo das Recht streitig machen, ins Land zu kommen. Wissen Sie, die Südafrikaner haben das alles provoziert - seit Jahren schon“, sagt er trotzig. Aber später, beim Abschied, brechen doch Enttäuschung und Trauer durch: „Vielleicht sind wir, die Führer der Swapo, unserer Verantwortung nicht immer gewachsen...“

Was ist geschehen? Die namibische Unabhängigkeitsbewegung Swapo, die seit 1976 von der internationalen Gemeinschaft als „einzige und authentische Vertretung des namibischen Volkes“ anerkannt und sowohl politisch als auch finanziell unterstützt worden ist, hat den ausgehandelten, vertraglich verankerten Friedensplan der Vereinten Nationen im Südwesten Afrikas sabotiert. Warum? Weil noch vor dem Beginn der Unabhängigkeit die Geschichte des Landes umgeschrieben werden sollte. Vor mehr als 22 Jahren, am 26.August 1966, wurde in einem kleinen Dorf im Ovamboland die erste und einzige „Militärbasis“ der Swapo von südafrikanischen Sicherheitskräften zerstört. Seither ist es der Unabhängigkeitsbewegung nie wieder gelungen, weder im Ovamboland noch irgendwo sonst im dreimal die BRD umfassenden Namibia, auch nur vorübergehend militärisch Fuß zu fassen.

Was bedeutet das? In den Augen zumindest der weißen Namibier ist die Swapo das „Pflegekind der Vereinten Nationen“. Die in den vergangenen Wochen beängstigend angeschwollene Fremdenfeindlichkeit des weißen Namibias gehorcht dem alttestamentarischen Reflex, in Gefahr und Not den Sündenbock in die Wüste zu schicken, das heißt jene Untag-Truppen, „die der Swapo in den Sattel helfen“. Weiße Soldaten des UN-Kontingents wurden von weißen Namibiern aus nichtigem Anlaß zusammengeschlagen, mancher Restaurantbesitzer bedient die „Uitlaender“ einfach nicht, und die Pensionswirte der grünen Bundestagsabgeordneten Uschi Eid haben die „Verräterin“ kurzum auslogiert. In aberwitzigem Provinzialismus, der sich zum aggressiven Wir -Gefühl aufbäumt, werden dieser Tage in Windhuk Parkplätze unter „Einheimischen“ ausgetauscht. Ein deutschstämmiger, wadenstrammer Lederhosenträger ereifert sich, weil „im Norden die Pakistaner in kurzen Hosen herumlaufen“.

Traum von der

friedlichen Emanzipation

Am Morgen des 1.April sah es so aus, als ob - trotz aller Schwierigkeiten - die schwarze Mehrheit der namibischen Bevölkerung sich die kommende Unabhängigkeit würde aneignen können. Am frühen Morgen des Tages, mit dem eine „neue Ära“ beginnen sollte, marschierten mehr als 10.000 Bewohner von Katutura, der schwarzen Township Windhuks, ins Zentrum der namibischen Hauptstadt. Sie wollten gegen vermeintliche Privatisierungspläne des südafrikanischen Generaladministrators Louis Pienaar protestieren. Aber das war mehr ein Anlaß. Das Ereignis war vielmehr, daß sich das „stumme Namibia“ zu formieren begann und seine Bürgerrechte wahrnahm - freilich nicht ohne Widerstand. An einer Straßenkreuzung wurde der friedliche Demonstrationszug von einer Doppelreihe bewaffneter Polizeieinheiten gestoppt und ohne ersichtlichen Grund zur Umkehr gezwungen. Bereits in diesen ersten Stunden, im Herzen der Hauptstadt, glänzte die UN-Friedenstruppe durch konfliktfordernde Abwesenheit.

Die namibischen Gewerkschafter haben am Morgen des 1.April die Umkehr ihres Protestmarsches mit derselben Ruhe, Selbstsicherheit und Verantwortlichkeit ausgehandelt, mit der die geschlossenen Reihen anschließend nach Katutura zurückkehrten. Im Polizeifunk konnte man unterdessen die eskalationshungrigen Kommentare enttäuschter Hitzköpfe verfolgen. Lediglich die Anwesenheit der Auslandspresse hat die Prätorianergarde der „alten Ordnung“ vom Dreinschlagen abgehalten. Aber wen kümmerte das beim Anblick der singenden Menge, die an ihre bessere Zukunft glaubte? Die Kleider vieler Frauen waren in den blau-rot-grünen Swapo-Farben geschneidert, die Männer trugen lustige Wollmützen, und das bärtig-gutmütige Porträt von Sam Nujoma schien den kommenden Landesvater zu verheißen. Der Traum von der friedlichen Emanzipation Namibias war erlaubt. Heute ist er es nicht mehr.

„Wenn es sein muß, treiben wir die Buren aus dem Land“

Sam Nujoma war in der Woche vor dem 1.April im südlichen Angola und hat persönlich den Befehl zur „Rückkehr in die Heimat“ gegeben. Mitsamt ihrer Waffen sollten knapp 2.000 Swapo-Kämpfer - darunter die selten eingesetzte Elitetruppe „Taifun“ - ins Ovamboland eindringen und sich dort der UN -Hoheit unterstellen. Nach Angaben einer verläßlichen Quelle ist die Frage, was denn zu tun sei, wenn man auf südafrikanische Sicherheitskräfte stieße, sehr wohl aufgekommen. Die Antwort Nujomas: „Wenn es sein muß, dann treiben wir die Buren aus dem Land.“ So spricht der Führer einer Befreiungsbewegung, die für ihr „rhodesisches Szenario“ den Tod von mindestens 262 Guerilleros und 27 Polizisten ebenso in Kauf nimmt wie die Demütigung der Vereinten Nationen und das Risiko, den friedlichen Übergang in die Unabhängigkeit zu sabotieren. Dem liegt kein „Irrtum“, kein „Versehen“ und kein „taktischer Fehler“ zugrunde. Ihr ungestillter Machthunger als „Befreiungsbewegung“ ist der Swapo wichtiger gewesen als das nationale Interesse und die Selbstbestimmung der Bevölkerung in freien Wahlen.

Jacob Kuhangua weiß das wohl. Aber der Mann, der 1969 ohne ein erklärendes Wort aus der Führungsgruppe der Swapo ausgeschlossen wurde, richtet sich noch in seinem Rollstuhl auf, um die Unabhängigkeitsbewegung in Schutz zu nehmen. Die Jahre des Kampfes sind hart gewesen, die Südafrikaner haben nichts unversucht gelassen, und wo ist denn die Hilfe des Westens geblieben? Kuhangua hat 1962 ein erstes Abkommen mit den Unabhängigkeitskämpfern im benachbarten Angola abgeschlossen. Zwei Jahre später hat das der Swapo endlich zu sowjetischer Unterstützung verholfen, während westliche Länder landflüchtigen Namibiern nicht einmal Stipendien gewährten. Das war der Anfang. Und das Ende? Bis 1986 waren Versammlungen der Swapo in Namibia dank eines Verbots von „Massenversammlungen von mehr als 20 Personen“ de facto unmöglich. Es hat nie einen Boden gegeben, auf dem interne Demokratie in den Reihen der Swapo und die Verantwortlichkeit ihrer Führer hätte wachsen können.

Als am Abend des 1.April die „massive Infiltration von Swapo-Elementen im Norden“ zur weltöffentlichen Meldung wurde, sind die Führer und Sympathisanten der Unanhängigkeitsbewegung in Namibia aus allen Wolken gefallen. „Es ist höchst unwahrscheinlich, daß Swapo in eine solche Aktion verwickelt sein könnte“, erklärte mit unsicherer Semantik Dan Jongarero, einer der bekanntesten Swapo-Führer im Lande. „Ich sehe absolut keinen Grund, warum die das machen sollten. Ich könnte mir nur vorstellen, daß die Südafrikaner den Unabhängigkeitsprozeß zum Entgleisen bringen wollen.“ Das war eine zugleich unbefriedigende und doch aufschlußreiche Antwort: Die Unfaßbarkeit dessen, was die da draußen an „Exilregierung“ in Szene setzten, wurde in ihr ebenso transparent wie das abgrundtiefe Mißtrauen gegenüber Südafrika. Beides ist verständlich.

Exilführung ohne demokratische Kontrolle

Die Führungsgremien der im Exil lebenden Unabhängigkeitsbewegung sind seit dem Ende der sechziger Jahre nie demokratisch legitimiert worden. Politbüro und Zentralkomitee der Swapo wurden seither durch Kooptation ausgefüllt - und über Ausschluß „gesäubert“. Mehr als 2.000 „Dissidenten“ haben im Laufe der Jahre in Tansania, Sambia und Angola eingesessen. Von vielen fehlt jegliche Nachricht, andere - wie Andreas Shipanga - sind nach Namibia zurückgekehrt und haben sich politisch für eine „glaubwürdige, demokratische Alternative zur Swapo“ engagiert. Mit mäßigem Erfolg. Denn in einem Land, in dem die Bildungsvoraussetzungen für demokratisches Bewußtsein weitgehend fehlen, ist die Swapo als Befreiungssymbol von südafrikanischer Fremdherrschaft über jeden Zweifel erhaben.

„Wer gegen Südfafrika kämpft, dem ist alles erlaubt, und niemand fragt nach seiner eigenen, demokratischen Legitimität - leider auch nicht die internationale Gemeinschaft“, bedauert Andreas Shipanga, ein Mitbegründer der Swapo, der als „Dissident“ von April 1976 bis Mai 1978 ohne Anklage oder Verhandlung - in Isolationshaft verbrachte. „Bei meiner Freilassung hat man mir die Bedingung gestellt, nach Europa oder Amerika ins Exil zu gehen, um dem Ansehen der Bewegung nicht zu schaden.“ Statt dessen hat Shipanga mit anderen ausgeschlossenen „Verrätern“ am 10.Juni 1978 in Stockholm die „Swapo-Demokraten„-Partei gegründet. Damals, vor zehn Jahren, war bereits von der unmittelbar bevorstehenden Entlassung in die Unabbhängigkeit die Rede, und derselbe UN-Beauftragte Marri Ahtisaari bereits vor Ort. Shipanga ist nach Namibia zurückgekehrt und hat sich - mangels Alternative - an der von Südafrika installierten „Übergangsregierung“ beteiligt. In den Augen vieler Unabhängigkeitskämpfer hat er sich als „Kollaborateur“ disqualifiziert...

Vergangene Woche haben die Bewohner Okagenges, einem kleinen Dorf 35 Kilometer nördlich von Oskatai, mehr als 40 bereits verwesende Swapo-Soldaten endlich begraben. Zur gleichen Zeit verkündete Sam Nujoma in der simbabwischen Hauptstadt Harare, die südafrikanische Todesbilanz - zu dem Zeitpunkt rund 161 Swapo-Opfer - sei „reine Propaganda“ und die Zahl der tatsächlich gefallenen „freedom-fighter“ liege bei 34. Ob sie der Widerspruch nicht störe, hat ein finnischer Kameramann die Dorfbewohner gefragt. Die Antwort: „Nein, wenn Sam Nujoma lügt, dann wird er dafür schon gute Gründe haben.“ So wie es für die selbstmörderische Rückkehr der Swapo-Kämpfer am 1.April „gute Gründe“ gab? Der Haß auf Südafrika wird zum langen Mantel, der die Maschinerie verbirgt, mit der Sam Nujoma seine Marionetten in Bewegung setzt.

Enttäuschung über

die Vereinten Nationen

Der Haß auf Südafrika ist verständlich. Eine Woche nach dem „Beginn einer neuen Ära“, die UN-Repräsentant Marrti Antisaari bei seiner Ankunft in Windhuk versprach, rollten über die Straßen des nördlichen Namibias erneut endlose Kolonnen gepanzerter Fahrzeuge. Mit ihrer beeindruckenden Bodenfreiheit und der länglichen Fahrzeugkanone gleichen die südafrikanischen „Casspir“, „Büffel“ und „Marder“ einem rollenden Metallsarg. Ihre charakteristische Silhouette war vergangene Woche im Ovamboland erschreckender denn je. Bereits kurz nach Sonnenaufgang gruppierten sich die Fahrzeuge am Rande beider Asphaltstraßen, bevor sie auf den sandigen Pisten der Savanne erneut auf Menschenjagd gingen. So jedenfalls wurde das von einer Bevölkerung verstanden, die seit Mitte der siebziger Jahre nur den permanenten Besatzungszustand kennt. Nach zehn Jahren war die nächtliche Ausgangssperre am 20.Februar aufgehoben worden. Seit dem Tage, der endlich international garantierten Frieden bringen sollte, wurde dann erneut auf alles geschossen, was sich nächtens bewegt.

„Ich bin von den Vereinten Nationen wirklich sehr enttäuscht“, gesteht schlicht und ergreifend Jeremias Kuhangua, Jacobs Bruder. Er hat vor ein paar Tagen versucht, „seine Beschwerde vorzutragen“. Dazu hat er nach Oshakati fahren und in die dortige - südafrikanische - Militärbasis gehen müssen. „Am Eingang saß neben den Burensoldaten ein Pakistaner, dem ich mein Anliegen vorgetragen habe“, erzählt er mit bitterer Ironie. „Als ich ihn fragte, warum die UNO bei den Südafrikanern untergebracht ist, hat er mir entschuldigend erklärt, sie hätten eben noch kein eigenes Quartier.“ Zu dem Zeitpunkt waren die Untag-Beobachter im Norden kaum mehr als ein Dutzend.

Jeremias Kuhangua hat vier Untag-Offizieren erzählt, wie er am 1.April wehrlose Swapo-Sympathisanten, die in Oshakati den Beginn der Übergangsperiode feiern wollten, zusammengeschlagen worden sind. „Koevoet-Soldaten, die Anti -terror-Einheit, die man heute in Polizeiuniformen gesteckt hat, sind einfach auf die Leute losgegangen, haben sie getreten, an den Haaren gezogen und geschlagen“, hat er ihnen erzählt. „Die haben das alles aufgeschrieben und gesagt, daß sie die Informationen weitergeben würden. Als ich aus der Militärbasis wieder draußen war und auf der Straße stand, habe ich mich gefragt, wem das wohl nützt.“ Jeremias Kuhangua, wie viele andere in Namibia, hat von den „Beobachtern“ der Vereinten Nationen mehr erwartet als einen „Monitorbericht“ über südafrikanische Truppenbewegungen und eine säuberliche Statsitik gefallener Soldaten.

Swapo torpediert

friedlichen Konsens

Hätte „teilnehmende Beobachtung“ das Drama verhindern können, wenn am 1.April tatsächlich UN-Truppen im Norden präsent gewesen wären? Möglicherweise. Statt dessen findet sich im Minutenbericht der südafrikanischen Armee nur folgender, ruhmloser Absatz: „Schlagen den Untag-Beobachtern Ausfahrt in die Kontaktzonen vor. Antwort: Keine UN -Fahrzeuge verfügbar. Teilen Bereitschaft mit, unsere Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Antwort: Negativ, weil Gefahr besteht, daß auf Untag-Soldaten geschossen werden könnte.“ Angesichts von insgesamt mehr als 300 Toten mag das vielen als zumutbares Risiko für eine „Friedenstruppe“ erscheinen.

Das ändert aber nichts daran, daß naturgemäß UN-Truppen so erfolgreich sind wie der Konsens, dem sie ihre ansonsten nutzlose Gegenwart vor Ort verdanken. Auf den Golan-Höhen zwischen Israel und Syrien funktioniert das dank wechselseitigem Einverständnis, während im südlichen Libanon die „Blauhelme“ zwischen alle Feuer geraten. Im Norden Namibias hat die Swapo den friedlichen Konsens wissentlich torpediert. Es ist unverständlich, warum jetzt die Swapo und ein guter Teil der Weltöffentlichkeit dafür die Schuld den Vereinten Nationen zuschieben. Denn selbst die zahlenmäßige Stärke des UN-Kontigents ist kein Argument. Ob 50 oder 500 UN-Soldaten in Oshakati sitzen, ändert nichts daran, daß sie den Frieden nicht manu militari aufzwingen können.

Die Swapo hat den Feind gesucht - und gefunden. Wenn man Südafrika als Gegenüber hat, ist das kaum verwunderlich. Bedenklicher aber, daß die namibische Befreiungsbewegung die politische Elite des Landes vor den Kopf gestoßen hat. Die „Massen“ des Landes werden unverbrüchlich zu ihrem Freiheitssymbol stehen, aber dergleichen gilt nicht für die schwarzen Gewerkschaftsführer des Landes. Bereits vor den Ereignissen der vergangenen Woche haben sie mit der Exilführung der Swapo hinter den Kulissen heftig um die „Autonomie gewerkschaftlicher Interessenvertretung nach der Unabhängigkeit“ gerungen. Ihr Wille, von einer Position der Stärke aus mit einer künftigen Swapo-Regierung zu verhandeln, kann seither nur gewachsen sein. Das schwächt die Swapo in ihrem Kampf um politische Hegemonie im Lande, insofern die „exillastige“ Unabhängigkeitsbewegung den Aufbau eigener Basisstrukturen lange vernachlässigt hat.

Die Swapo bleibt gleichwohl mehrheitsfähig und - ohne Zweifel - die populärste der 42 Parteien in einem Land, das kaum 1,3 Millionen Einwohner zählt. „Im Zweifelsfalle rettet uns allemal die Stammestreue der Ovambo“, stellt ein führendes Mitglied der Swapo fast mit Bedauern fest. Ihm zufolge hat die unverbrüchliche Solidarität des - mit mehr als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung - wichtigsten Stammes die Unabhängigkeitsbewegung „über ihre schwersten Jahre gebracht. Aber für den Aufbau einer nationalen und - vor allem - basisdemokratischen Partei ist das eher ein Handikap.“

Auf der Veranda in Nakayale ist dem hitzigen Gespräch die Ruhe müder Enttäuschung gefolgt. Für nichts auf der Welt würde Jacob Kuhangua zugeben, daß „seine“ Swapo unverzeihliche Fehler begangen hat, aus denen sie besser lernen sollte, bevor es zu spät ist. In größter Bedrängnis helfen ihm Feindbilder aus. „Die Turnhallen-Allianz steht im Dienste Südafrikas... Die Buren haben uns unterdrückt und ihr menschenverachtendes Apartheidregime aufgezwungen... Ich mußte ins Ausland gehen, um Zugang zu Bildung zu finden.“ Das alles stimmt. Vielleicht erklärt das Jacob Kunaguas hartnäckige Verbisssenheit. Vor mehr als 20 Jahren hat ihm der ehemalige Vizepräsident der Swapo, Louis Nelengani, ein Messer ins Rückgrat gerammt. Seither sitzt Jacob Kuhangua im Rollstuhl. Als alter Mann hat er weder seine Überzeugungen noch seine beeindruckende Selbstbehrrschung verloren. Aber die Zukunft macht ihm Sorgen: „Ich weiß nicht, ob ich die Unabhängigkeit noch erleben werde. Sie schien so nahe, aber ich fürchte, wir werden noch viel leiden müssen, bevor wir endlich frei sind.“