Leichter Aufwind, zögernd

■ Berlins beste Saiten, die Rockband „Rainbirds“ um die kleine Sängerin mit der großen Stimme, spielten am Mittwochabend im Modernes und stellten ihr zweites Album vor

Allzu hochfliegende Erwartungen waren schon im Vorfeld auf dem Boden der Tatsachen gelandet: Beflügelt von der Erinnerung an Hunderte, die im vergangenen Jahr vergeblich vor den Türen des ausverkauften Modernes nach Karten anstanden, hatten die Veranstalter diesmal die Stadthalle II angemietet - um dann doch wieder ziemlich schnell in die alte Spielstätte umzubuchen, da der Vorverkauf schleppend in Gang kam. So schleppend, daß Spürnasen gar den Flop zu wittern glaubten, den Absturz der Überflieger Rainbirds aus dem bundesdeutschen Pop-Olymp, in den sie um die Jahreswende 87/88 so kometenartig emporgeschossen waren. Die neue Platte, unkten viele, sei nicht so doll, die Neugier auf die kleine Frau mit der großen Stimme habe sich verflüchtigt. Alles wahr.

Daß es dennoch ein gutes Rockkonzert wurde, hat mehrere Gründe, und der erste ist, daß die Bescheidung aufs Modernes fürs Publikum ein atmosphärischer Glücksgriff war: Der verpißte Betonbunker an der Bürgerweide blieb uns erspart.

Das Modernes war entgegen den pessimistischen Erwartungen gut voll, die Menschen hörten einen lauten, aber klaren Sound, genossen eine sehr geschmackvolle, nie protzige Lichtregie und eine sympathische, von gelegentlichen Flip -Cuts des Gitarristen abgesehen, attitüdenfreie Show - die Rainbirds haben ihr Image, sich außerhalb der gängigen Popmanierismen zu präsentieren, inzwischen professionell im Griff.

Dies war der Hauptunterschied zum Konzert im vergangenen Jahr. Musikalisch Neues zu erwarten wäre spätestens nach dem Anhören der neuen LP naiv gewesen: die Rainbirds segeln in als ungefährlich erkannten Strömungen. Leitvogel Katherina Franck - mit schöner, einzigartiger Stimme nach wie vor führt die Schar dabei bisweilen in recht flaue Lüfte; ihre Kompositionen könnten frischen Wind gebrauchen, zu viele Songs klingen zu ähnlich. Manches rettet da der jüngste Zuwachs der Band, die Keyboarderin Ulrike Hage, die von „Reichlich Weiblich“ reichlich Jazzmomente mit-und in einige rechte biedere Songs auch

wirkungsvoll einbringt („On the balcony“). Und auch Gitarrist Gonzales zersägt mit schrägem Spiel so manche Seichtigkeit, während sich Wolfgang Glum (dr) und Beckmann (b) als eher unauffällige Zuarbeiter für ihre Frontfrau präsentieren.

Doch wie das alte mit „Blueprint“, hat das neue Programm mit „Sea of Time“ ein ungewöhnlich gelungenes Lied als Mittelpunkt, einen leichten, schwebenden und für Katharina sicher programmatischen Popsong, dessen schon fast rockklassischer Schlußgroove die Worte transportieren, die ihr immerhin wichtig genug waren, um als LP-Titel zu dienen. Ansonsten wirken die Rainbirds live immer noch erheblich knackiger als ihre vom Hamburger Weichspüler Udo Arndt produzierte Scheibe.

Das Publikum feierte sie begeistert. Daß sie als Abräumer des Zugabenteils nur Titel von der alten LP spielten, erscheint allerdings wenig zukunftsorientiert. Ob die Berliner Vögel im Ab-oder Aufwind sind, ist wohl noch nicht entschieden.

rak