Schriftsteller Albert Vigoleis Thelen gestorben

Genugtuung seiner letzten Tage war die Nachricht, daß sein großer Roman „Die Insel des zweiten Gesichts“, von unbändiger Fabulierlust, Wortsüchtigkeit und melancholischem Humor geprägt, unlängst ins Französische übertragen worden ist: Solche äußeren Erfolge hat der Schriftsteller Albert Vigoleis Thelen, der am Sonntag in Dülken am Niederrhein im Alter von 85 Jahren gestorben ist, nicht allzu viele erlebt. Gleichwohl war dieser heute fast vergessene Außenseiter für relativ kurze Zeit einmal ein sehr berühmter Autor. Das war in den fünfziger Jahren, als seine „angewandten Erinnerungen“, eben der auf der Insel Mallorca zur Zeit des Franco-Regimes spielende erste große Roman, erschienen, 1954 mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet wurden und mehrere Auflagen erreichten. Das sprachspielerische Werk ist auf ausgeprägt biographischer Grundlage komponiert und bezeugt nicht zuletzt jene antifaschistische Gesinnung, deretwegen Thelen bereits im Jahre 1931 emigiert war, um keiner von jenen „Nazimicheln“ zu werden, über die er sich in seinem ersten Roman weidlich lustig macht. Als die „Gruppe 47“ hierzulande tonangebend wurde, war es um den Ruhm Thelens schnell geschehen. Man kreidete ihm eine „antiquierte, skurrile Ich-Prosa“ an, die im starken Gegensatz zum „scharf akzentuierten, blitzschnell zupackenden Stil der Neueren“ stehe. Es wurde bald stiller um ihn, zumal sein zweiter Roman „Der schwarze Herr Bahssetup“ (1956) sogar seine Bewunderer etwas enttäuschte. Thelen hat zum Überborden und zur Unbändigkeit seines Erzählens einmal geäußert: „Geschichten sind doch nicht dazu da, daß sie rasch zu Ende gehen“. Das war das künstlerische Credo dieses Autors, von dessen drittem Roman mit dem Arbeitstitel „Die geweiste Flucht“ bereits an seinem 80. Geburtstag Tausende von Manuskriptseiten vorlagen - ob das Werk jemals erscheinen kann, ist allerdings mehr als fraglich. Von 1931 an lebte Thelen mit seiner Frau Beatrice, die auch seine Muse war und in seinen Romanen eine Hauptrolle spielt, fünf Jahre auf Mallorca, später in Frankreich, Portugal und nach dem Krieg zunächst in Holland, seit 1954 in der Schweiz. Nach Jahrzehnten in Lausanne kehrte er Mitte der 80er Jahre in seine niederrheinische Heimat zurück. Dazu erklärte er: „Nach 55 Jahren Exil. Ich anerkenne keine Vaterländer, nur Geburtsorte.“