Das Ende des „reinen“ Pressewesens

Italien: Die Fusion von Mondadori und der 'L'Espresso‘ in den Händen von Olivetti-Chef De Benedetti setzt auch den Schlußpunkt unter das Experiment 'La Repubblica‘  ■  Aus Rom Werner Raith

„Das einzige Problem“, frozzelt die Karikatur in 'L'Unita‘, „das Olivetti-Chef De Benedetti jetzt noch hat: die Adresse der Redaktion von 'La Repubblika‘ ist immer noch Piazza Indipendenza.“ Die Anspielung trifft. Seit Mittwoch fürchten nicht nur die Redakteure des unbestrittenen Meinungsführers der italienischen Presse 'La Repubblica‘ und des angesehenen Nachrichtenmagazins 'L'Espresso‘, daß ihre Unabhängigkeit („Indipenenza“) bald wirklich nur noch in der Redaktionsadresse vorkommen könnte. Olivetti-Chef Carlo De Benedetti hat seinem vor einem Jahr erworbenen Verlagsimperium Mondadori in Mailand nun auch noch die römische „Espresse AG“ mehrheitlich einverleibt und will in den nächsten Tagen ein Kaufangebot an die verbliebenen Minderheitsbeteiligten bekanntgeben.

Damit sind die beiden größten wöchentlichen Nachrichtenmagazine des Landes - 'Panorama‘ von Mondadori, derzeit um die 800.000 Auflage, und 'L'Espresse‘, zwischen 400.000 und 500.000 Exemplare - in einer Hand vereinigt. Und nicht nur das: De Benedetti gehört damit nun auch der unbestrittene politische Meinungsführer der linken Mitte, die Tageszeitung 'La Repubblica‘, die im Wettstreit mit dem alten Flaggschif 'Corriere della sera‘ auf dem zum Fiat -Imperium gehörenden Rizzoli-Verlag Kopf an Kopf liegt.

Dabei stört die Redakteure, die LeserInnen und einen Großteil der italienischen Öffentlichkeit nicht nur die Nacht- und Nebelmanier der Aktion: De Benedetti hatte wieder einmal zugeschlagen, ohne vorher bekannt zu geben, daß überhaupt Verhandlungen im Gange sind. Nicht umsonst hängt dem Olivetti-Herrscher der Name „Condottiere“ an, in Anspielung auf die Söldnerführer der Renaissance-Zeit. Die Übernahme irgendeines anderen Zeitungspools hätte man als die in Italien fast alltägliche Verschiebung von Aktienpaketen innerhalb der Geldaristrokratie des Landes betrachtet.

Zum anderen aber zerstört der Verkauf der „Espresso AG“ faktisch die allerletzte Bastion des einst in Italien blühenden „reinen“ Pressewesens, d.h.von Trusts, die ausschließlich mit Kommunikation zu tun haben und keine Mischkonzerne darstellen - wie eben De Benedettis Konglomerat aus Elektronik-, Banken-, Bekleidungs- und Nahrungsmittel-Firmen.

Gleichzeitig - und noch beunruhigender - endet mit dem „Espresso„-Verkauf das Experiment 'La Repubblica‘, das in der Identität des Eigners mit dem Herausgeber und dem Chefredakteur bestand: Eugenio Scalfari, 1955 Mitbegründer des Magazins 'L'Espresso‘ und lange Zeit dessen Chefredakteur, hatte das Blatt 1976 unter dem Slogan gegründet: „Entweder Ihr glaubt den offiziellen Regierungsverlautbarungen - oder Ihr glaubt 'La Repubblica‘.“ Zugleich hatte er sich dabei von seinem Geldgeber, dem „Espresso„-Präsidenten Carlo Caracciolo, ein unkündbares zehnprozentiges Miteigentum des Aktienanteils auserbeten.

Innerhalb von einem Jahrzehnt brachte Sacalfari sein Blatt an die Spitze der Verkaufszahlen im Land (knapp 800.000 Tagesauflage). „Espresso AG„-Präsident Caracciolo seinerseits gehört ebenfalls zur „reinen“ Medien-Rasse: Sein Imperium umfaßt, neben dem Wochenmagazin und 'La Repubblica‘, noch mehr als ein Dutzend lokaler Zeitungen, dazu eine Medien-Finanzierungs-Gesellschaft; außerdem ist er Teilhaber bzw.Aufsichtsratmitglied der wichtigsten Nachrichtenagenturen des Landes.

Bereits Mitte vergangenen Jahres hatte sich die Möglichkeit eines massiven Einstiegs De Benedettis angekündigt: Mit dem Kauf von Mondadori war der Olivetti-Chef Miteigentümer eines „Espresso„-Anteils aus den Gründerzeiten der AG geworden. 'Repubblica'-Chef Scalfari hatte sich damals noch gewehrt, mit Rücktritt gedroht und so die Konstruktion eines Aufsichtsrates aus Mondadori und Espresso-Leuten durchgesetzt, bei dem er als Vorsitzender den Ausschlag geben konnte. Mit der Übernahme der Aktienmehrheit auch bei der „Espresso AG“ ist dieses Modell jedoch für De Benedetti aufhebbar geworden. Das gilt ebenso für den seit Jahren im Magazin 'L'Espresso‘ eingeführten „Garanten-Rat“ aus verlagsunabhängigen Persönlichkeiten, die die freie Berichterstattung der Wochenschrift gewährleisten sollten.

Konsequenzen: Als erster der „Garanten“ ist das Aushängeschild des Rates, Umberto Eco (Der Name der Rose), zurückgetreten; weitere Demissionen werden folgen. Die Redaktion von 'La Repubblica‘ hat einen Streiktag eingelegt. Und 'Espresso‘ wird die kommende Woche nicht erscheinen. Viel Hoffnung, daß sich noch etwas von der einstigen Unabängigkeit retten läßt, haben allerdings auch die Redakteure nicht. „Wir müssen uns halt an den Gedanken gewöhnen“, sagt ihr Sprecher Enzo Forcella, „daß wir künftig eine Zeitung sind wie alle anderen auch.“ Und nach einer Pause fügt er hinzu: „Nur - bislang mußten sich die anderen auch an unserer Unabhängigkeit messen lassen, und das hat ihre Abhängigkeit von den Konzernchefs gemindert. Künftig wird dieses Element wohl wegfallen.“