Eine WAAhnsinnsgeschichte

■ Die WAA in Wackersdorf hat Milliarden verpulvert und Millionen mobilisiert/18 Jahre der Standortsuche und des Widerstands

September 1971: Die erste Pilotanlage für die großtechnische Wiederaufarbeitung, nimmt im Kernforschungszentrum Karlsruhe den Betrieb auf. Bauherrin ist eine Tochter der Chemieindustrie, die GWK.

Seit 1974: Die Suche nach möglichen Standorten für ein „Nationales Entsorgungszentrum“ beginnt. Das Zentrum soll ein Brennelementelager, eine WAA mit einem Durchsatz von 1.400 Tonnen pro Jahr, eine Brennelementefabrik und ein Endlager umfassen.

1975/1976: Die (geheime) Standortsuche konzentriert sich auf Niedersachsen. 1976 werden dennoch drei mögliche Standorte bekannt und lösen jeweils heftigen örtlichen Widerstand aus: Wippingen im Emsland, Unterlüß in der Lüneburger Heide und Lichtenmoor bei Nienburg.

Februar 1977: Unter dem Druck der Bevölkerung gibt die niedersächsische Landesregierung die Pläne auf und benennt Gorleben als neuen Standort. Bauherrin ist nun die DWK, eine Tochter der Stromkonzerne.

28. März bis 3. April 1979: Kernschmelze in Harrisburg. Treck Gorlebener Bauern nach Hannover, Abschlußkundgebung mit 150.000 Menschen.

16. Mai 1979: Ministerpräsident Albrecht erklärt Gorleben für „politisch nicht durchsetzbar“. Was bleibt sind Planungen für Zwischen- und Endlager.

1980 bis 1983: Auf der hektischen Suche nach Alternativstandorten für die WAA springt der hessische Ministerpräsident Börner Bundeskanzler Helmut Schmidt zur Seite. Beim folgenden Standortpoker stehen insgesamt elf (!) Orte zur Debatte. Bei allen scheitert Börner am örtlichen Widerstand und gewaltigen Kommunalwahlerfolgen der WAA -Gegner.

Frühjahr 1980/1981: Erste Gerüchte über eine bayerische WAA im Raum Schwandorf. Gründung der Bürgerinitiative Schwandorf. Erste Demonstrationen.

Februar 1982: Die DWK stellt den offiziellen Antrag für die WAA im Taxöldener Forst bei Wackersdorf. Parallel bringt Ernst Albrecht erneut den Landkreis Lüchow-Dannenberg (Dragahn) ins Gespräch. Insgesamt vier Länder konkurrieren um das Projekt. Nach dem Machtwechsel in Bonn und einer rechnerischen Rot-Grün-Mehrheit in Hessen verabschiedet sich Börner aus dem WAA-Karussell.

Oktober 1982: Die DWK beantragt die Einleitung des atomrechtlichen Genehmigungsverfahren.

1983/1984: Die BIs sammeln 53.017 Einwendungen gegen die Errichtung der Anlage. Am ersten öffentlichen Erörterungstermin in Neunburg nehmen bis zu 1.000 WAA-Gegner Teil.

Februar 1985: Die DWK fällt die Bauentscheidung für Wackersdorf.

Juni 1985: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lehnt ein Volksbegehren gegen die WAA endgültig ab. Die Proteste und Demonstrationen gehen weiter.

Herbst 1985: Das Münchner Umweltministerium erteilt die erste Teilgenehmigung. Erste Klagen werden eingereicht. Im Dezember Rodungsbeginn im Taxöldener Forst, Großdemonstration mit anschließender Platzbesetzung und Errichtung eines Hüttendorfs. Räumung am zweiten Weihnachtstag.

1986: Nach Errichtung der Festungsanlagen immer wieder Auseinandersetzungen am Bauzaun, Aufrüstung der Polizei, erstmaliger Einsatz von CS-Reizgas.

Pfingsten: Großdemo mit 50.000 Menschen, Auseinandersetzungen fordern 400 Verletzte. Im Juli 100.000 beim WAAhnsinns-Festival in Burglengenfeld.

2. April 1987: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kassiert die Teilerrichtungsgenehmigung, später auch den Bebauungsplan. Der Bau des Zwischenlagers geht trotzdem weiter.

4. Juli 1988: Hoffnungen auf einen Baustopp in Wackersdorf zerschellen am Bundesverwaltungsgericht, das die aufgehobene erste Teilgenehmigung für „sofortvollziehbar“ erklärt.

Juli/August 1988: Die Auseinandersetzung um die zweite atomrechtliche Genehmigung sind gespickt mit Superlativen: 881.000 Einwendungen werden gezählt. Einen Monat lang führen WAA-Kritiker anläßlich der öffentlichen Anhörung in Neunburg Betreiber und Genehmigungsbehörde vor, ehe der Freistaat Bayern das Schauspiel ohne Vorwarnung abbricht.

Gerd Rosenkranz