Bremer DKP: Ende der Mies-Machereie

■ Bremens KommunistInnen auf der Suche nach sich selbst: Mit der Umwertung aller Werte will die DKP den Sozialismus wieder attraktiv und sich selbst wieder glaubwürdig machen / taz-Interview mit dem Bremer DKP-Bezirksvorsitzenden Dieter Gautier

taz:Glasnost - Transparenz und Perestroika - Umgestaltung in der DKP. Die DKP und besonders die Bremer DKP befindet sich in einem Prozeß des Umbruchs und der Erneuerung. Wer braucht diese neue DKP eigentlich - außer unzufriedene DKP -Mitglieder selbst?

Dieter Gautier: Ich denke, die DKP muß sich insgesamt, in ihrer Politik, Theorie und Praxis erneuern und demokratisieren. Ohne diesen Erneuerungsprozeß kann sie weder glaubwürdig sein, noch Kompetenz erreichen. Es geht nicht um eine Auseinandersetzung um unserer selbst willen, sondern um die Gestaltungs-und Handlungsfähigkeit kommunistischer Politik.

Nun hat die Kritik des real existierenden Kapitalismus in der BRD ja vielfältige Formen. Es gibt Initiativen gegen neue Armut, für Abrüstung, gegen Ausländerfeindlichkeit, für Arbeitszeitverkürzung, gegen Frauenfeindlichkeit, für Umweltschutz. Es gibt Grüne und linke Sozialdemokraten. Alle sind bislang gut ohne die DKP ausgekommen.

Bei allen Schwierigkeiten und trotz der offenkundigen Krise der DKP, muß ich da widersprechen: Allein in Bremen fallen mir eine ganze Reihe von Feldern ein - im Kampf gegen Neofaschismus in der Friedenspolitik, bei Auseinandersetzungen in wichtigen Betrieben, hat unsere Partei auch in der Vergangenheit durchaus eine Rolle gespielt. Trotzdem steckt hinter der Frage natürlich das Problem: Was macht in Zukunft die Identität von Kommunisten. Aber andersrum gilt auch: Die Krise, die wir durchmachen, ist nicht nur unsere Krise. Ich sehe gegenwärtig insgesamt bei der Linken wenig überzeugende Ansätze, die über die aktuellen Tagesfragen hinausweisen. Insofern muß unsere neue Rolle sein, in den Bewegungen und aus den Bewegungen heraus neue Perspektiven zu entwickeln.

Eine neue DKP, aber mit dem alten Avantgarde-Anspruch?

Es muß eine radikal erneuerte DKP geben, aber nicht mit einem Avantgarde-Anspruch gegenüber anderen im Sinne eines abstrakten Zukunftsmodells. Sondern eine DKP, die konkrete Verbesserungen jetzt durchzusetzen hilft und zugleich Vorstellungen entwickelt, die über den Kapitalismus hinausweisen. Wobei wir nicht den Anspruch haben, das alleine zu können.

Diesen Prozeß mal nach innen gedacht, ins Binnen-Verhältnis der Partei: Droht dabei nicht genau das zerredet zu werden, was die DKP bislang im Innersten zusammengehalten hat, das geschlossene, auf Biegen und Brechen einheitliche Auftreten nach außen z.B.?

Natürlich, es ist unglaublich viel in Frage gestellt. Das macht auch z.T. die emotionale Schärfe der Auseinandersetzung aus. Aber wir müssen trotzdem überprüfen, ob diese alten Werte noch Ausstrahlung, Identität und Zusammenhalt dieser Partei ausmachen können. Ich jedenfalls bin übrzeugt, daß es notwendig ist, mit einer Reihe alterr Gewohnheiten zu brechen. Es müssen auch innerhalb dieser Partei Werte in den Mittelpunkt treten, die mit dem Ziel von Kommunisten in Übereinstimmung stehen und dem veränderten Politikverständnis Rechnung tragen: Demokratie und Humanismus.

Ein Beispiel für möglicherweise bedrohte heiligen Ideologie -Kühe der DKP: Jahrelang hat die DKP nach meinem Eindruck nahezu jede Selbstrechtfertigung von DDR-Führung und SED übernommen. Als DDR-Panzer in die CSSR einrollten, war das für die DKP in Ordnung, als Biermann rausflog, war das o.k., als Bahro rausgeschmissen wurde, gab's wieder Zustimmung. Ist damit jetzt Schluß?

Für meine Begriffe gehört zur Erneuereung der DKP auch die Sou

veränität ihrer Politik. Das darf nicht nur für unser Land gelten, sondern auch gegenüber befreundeten sozialistischen Parteien.

Ein konkretes Beispiel: Vor 14 Tagen ist eine Bremer DKP -Delegation offiziell in die DDR gefahren und hat mit SED -Vertretern über Ökologie-Probleme der DDR diskutiert. Mitglieder der DKP haben dabei offiziell ihren Wunsch angemeldet, auch mit unabhängigen Umweltgruppen in der DDR diskutieren zu können. Ist das ein Beispiel für die neue DKP oder haben da DKP-Mitglieder leichtfertig die Freundschaft DKP-SED riskiert?

Ich bin zunächst mal dafür, den Dialog so zu führen, wie er zwischen den Partnern vereinbart worden ist. Mein Ziel ist nicht, die SED zu provozieren oder ihr die Freundschaft auzukündigen. Das hindert mich aber nicht, auch bei einer solchen Delegation den Wunsch zu äußern, mit den von Dir genannten Gruppen diskutieren zu können. Das ist für mich

ein legitimes demokratisches Bedürfnis. Insbesondere bei Fragen der Ökologiepolitik, wo es heute grundlegende Differenzen zwischen Auffassungen unserer Parteien gibt und auch in der DDR tiefe Widersprüche bestehen. Man soll sich nur nicht einbilden, daß man durch Showeffekte von außen auf diese Prozesse einwirken kann.

Was denn nun: Showeffekt oder legitimes demokratisches Bedürfnis?

Also, es ist so: Natürlich ist das ein legitimes demokratisches Diskussionsbedürfnis. Aber, wenn die Gastgeber sagen „Das wünschen wir aus irgendwelchen Gründen nicht“, dann kann ich das bedauern, muß es aber akzeptieren.

Ein zweites Beispiel: Die Bremer DKP hat sich mit großer Mehrheit gegen eine Kandidatur zu den Europawahlen ausgesprochen. Die Partei insgesamt hat jetzt beschlossen: Es wird kandidiert. Der Konflikt wurde öffentlich

ausgetragen. Kann sich Eure Parteiführung sowas auf die Dauer leisten oder ist das Ende des Geduldsfadens abzusehen?

Ich glaube nicht mehr, daß irgendeine, gerade eine linke Organisation auf Dauer erfolgreich Politik machen kann, wenn sie nicht innen offen debattiert und nach außen ihre Kontroversen transparent macht. Jeder Versuch, sich abzuschotten, ist in meinen Augen zum Scheitern verurteilt. Ob dabei jemandem der Geduldsfaden reißt? Kann sein, ist für mich aber relativ unerheblich. Eine Partei, die sich öffentlichen Debatten verweigert, ist für mich unzeitgemäß.

Muß der Prozeß, den ihr als Erneuerung beschreibt, nicht anderen in Eurer Partei zwangsläufig als Erosion erscheinen, als Infragestellung der DKP als Partei insgesamt.

Sicher werden in diesem Prozeß Werte, die bislang bei uns ganz hoch gehalten worden sind, infrage gestellt...

...zum Beispiel?

Fragen der Demokratie, der Frauenemanzipation, des Verhältnisses zu anderen kommunistischen Parteien, des Internationalismus. Ein wichtiger Punkt ist dabei das Verhältnis von Demokratie und Zentralismus. Es geht um eine Neubestimmung der Beziehung von Individuum und Kollektiv, darum, wie individuelle Einflußnahme wirksam wird und wie alle Formen von Administration überwunden werden können. Dabei habe ich nichts gegen eine starke Parteiführung. Im Gegenteil. Ich würde mir wünschen, wir hätten eine ausstrahlungskräftige, diskussionsbelebende und die notwendige Auseinandersetzung organisierende Parteiführung.

Es ist doch wahrscheinlich so: Was Du jetzt gerade sagst, haben andere DKP-Mitglieder sicher vor ein paar Jahren ganz ähnlich gesagt. Ich weiß nicht, wieviele Parteiordnungsverfahren Du selbst wegen solcher Abweichungen eingeleitet hast. Nun will es die Ungleichzeitigkeit politischer Entwicklungen, daß der Bremer DKP-Vorsitzende selbst ziemlich anderer Meinung ist als seine Parteiführung. Dürfte er sich da wundern, wenn sie entsprechende Konsequenzen zöge?

Natürlich, ich muß die Fähigkeit aufbringen, mich auch in solche Gedankengänge hineinzudenken. Schließlich habe ich in der Vergangenheit selbst vieles vertreten, mit beschlossen oder zumindest stillschweigend geduldet, was ich heute scharf kritisiere. Das ist das eine. Aber ich muß auch sagen: Alle in der Partei müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Und alle, die das nur durch Rückgriffe auf Vergangenes leisten wollen, werden scheitern. Ich bin inzwischen fest überzeugt, solche Versuche können nur zu einem führen: Daß die DKP in die absolute Bedeutungslosigkeit versinkt.

Interview: Klaus Schloesser