Liaisons dangereuses - Liebe ist Kampf

■ Ein unterhaltsamer Film und ein filmisches Sittengemälde hat der Regisseur Stephen Frears aus einem französischen Briefroman gemacht / Dekadenz der Rokoko-upper class

Liebe ist Kampf. Wir können es drehen und wenden, es bleibt dabei. Das Spiel der Geschlechter ist nicht spielerisch, es ist kämpferisch. Überprüfen wir uns selbst. Lustvoll mag er sein, edel und fair, aber es bleibt ein Kampf. Das Ende des Kampfes bedeutet das Ende der Liebe.

Wozu so schwülstige Philosophie am frühen Morgen? Es geht um ein Gemälde, ein Sittengemälde. Noch genauer: Ein filmisches Sittengemälde nsch einer literarischen Vorlage. Entworfen und als bitterböse Anklage wider der Dekadenz der Rokoko-upper class vom Franzosen Choderlos de Laclos als Briefroman verfaßt, hat sich der Engländer Stephen Frears des Stoffes angenommen. Kühl, berechnend und jederzeit präsent blickt der Angelsachse ins Herz der degenerierten Herrschenden des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts - oder zumindest knapp vorbei. Denn Liebe und Herz hatten nicht immer unmittelbare Berührungspunkte, sie rieben einander nur ein wenig.

Gefährliche Liebschaften ist eine amerikanische Produktion und es ist ihr nicht einmal auf den ersten Blick anzumerken. Bitterböse Zynismen waren eigentlich die Sache der europäischen Kino

werke, doch ein englischer Regisseur im französischen Ambiente macht dieses Manko von allein wett. Eine aufwendige morgendliche Ankleideszene der Herr-und Frauschaften derer von Valmont (John Malkovich) und Merteuil (Glenn Close) führt in ein hinterhältiges Ränkespiel der Beziehungen mit den Eckpfeilern Rache, Verrat und Grausamkeit, „denn das klingt edler“.

Nicht zu vergessen: Betrug. Diese ganz und gar moralistische Komponente hat ihren nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert. Der Vicomte Valmont erhält einen Auftrag, für den er geradezu prädestiniert ist. Er möge der gerade der Klosterschule entronnenen Cecile die Unschuld rauben. Der Marquise de Merteuil ist der designierte Ehemann des Mädchens noch ein Dorn im Auge, den es gilt, mittels dieser Machenschaft zu entfernen. Kein Problem für Adligen mit dem abfälligen Blick, doch als Aufgabe etwas zu einfach. So verfällt er auf die Idee, die sittenstrenge und unnahbare Madame de Tourvel (Michelle Pfeiffer) als Ziel der Lust und schnellen Begierde auszuwählen. Als Belohnung winkt gar eine Nacht mit der Marquise, einer ebenfalls Unnahbaren. Doch sie ist die Meisterin des Kal

küls und somit eine Herausforderung besonderer Art.

Es kommt, was kommen muß. Der Kampf, der Liebe genannt wird, erhält die Opfer, die er gefordert hat, auf dem sibernen Tablett. Die Schmarotzer der feudalistischen Vor -Revolutionszeit bekriegen einander sozusagen in den Betten der Lust. Wer besiegt wen? Wer hat mehr davon? Stephen Frears langweilt uns nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, er ermüdet das Auge nicht einmal mit aufdringlicher Opulenz. Hinter den drallen Decoltes und gepuderten Masken scheint die sterile Gefühlslosigkeit durch, die dem Kampf ums Laken die Nahrung verleiht. Ist die Ziellinie überschritten, verschwindet die Lust. Moral hat keinen Platz, das Wissen darüber ersetzt sie völlig.

Les Liaisons dangereuses ist ein Austattungsfilm ohne Bombast, ein Liebesfilm ohne Schmacht, ein Kriegsfilm ohne Armeen und ein Gemälde, das zu laufen begann. Eine Hommage an das Kino.

Jürgen Francke

UT, 14. 17. 20 Uhr