VS sieht Zulauf für Rechtsextremisten

■ Der Innensenat veröffentlicht einen Bericht über „aktuelle Tendenzen im Berliner Rechtsextremismus“ / Zahl der Straftaten steigt

Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Berlin ist nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz deutlich gestiegen. Auch für 1989 wird mit einem „weiteren Anwachsen rechtsextremistischer Gesetzesverletzungen“ gerechnet. Zudem zeigten die gewalttätigen Vorfälle steigende Tendenz, heißt es in einer jetzt erschienenenVeröffentlichung des Innensenators, die den Namen „Aktuelle Tendenzen im Berliner Rechtsextremismus“ trägt.

Insgesamt 456 Gesetzesverletzungen mit „erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund“ registrierte die Behörde im vergangenen Jahr. Für 1987 waren noch 406 Vorfälle dieser Art aufgelistet worden. Die Zahl der ermittelten Tätewr war dagegen rückläufig: 1988 wurden 184 Tatverdächtige geschnappt, 1987 hatte die Polizei noch 205 mutmaßliche Rechtsextremisten erwischt.

Bei den Aktivitäten aus der braunen Ecke handelte es sich, so der VS, im wesentlichen um Farbschmierereien oder Flugblattaktionen. Fast die Hälfte der Straftaten waren gegen Ausländer oder Juden gerichtet gewesen. Unter den ermittelten Tatbeteiligten befanden sich 43 Skinheads.

In dem elf Seiten langen Bericht werden unter anderem die Vorjahres-Aktivitäten der NPD und ihrer Jugendorganisation sowie mehrerer anderer rechtsextremer Gruppierungen wie die der „Deutschen Volksunion“, des „Bundes Heimattreuer Jugend“ oder der „Deutschen Jugendinitiative“ aufgelistet. Einen besonderen Schwerpunkt haben die Verfasser auf die Beschreibung der neonazistischen Szene gelegt. Dazu zählt der VS die AnhängerInnen der FAP, zu der auch Michael Kühnen gehört, die „Bewegung“ sowie die „Nationale Front“. Die „Republikaner“ werden vom Berliner Verfassungsschutz nicht „beobachtet“, - sie gelten in der offiziellen Sprachregelung der Verfassungsschutzämter nicht als rechtsextrem und verfassungswidrig sondern, so der Chef des Hamburger VS, Christian Lochte, nur als „rechtsradikal“.

Die organisierte Neonazi-Szene in Berlin umfaßt nach Recherchen des VS etwa 85 Personen. 25 von ihnen sind bereits gewalttätig aufgetreten. Auffällig ist hier die junge Altarsstruktur: 50 von ihnen sind zwischen 18 und 25 Jahren alt, 30 sind älter als 25 Jahre und die übrigen fünf sind noch nicht mal wahlberechtigt. Rund 30 Neonazis kämen aus der Skinhead-Szene; als mitgliederstärkste Organisation könne mit 20 Leuten die „NF“ angesehen werden „Die Zahl der Berliner Neonazis ist weiter ansteigend“, heißt es in dem Bericht.

Dem Berliner Landesverband der NPD gehören nach Erkenntnissen des VS zur Zeit etwa 125 Mitglieder an. Fast die Hälfte der „Nationaldemokraten“ traten der Partei in den vergangenen fünf Jahren bei. Die Jugendorganisation der NPD, die JN, verfügt laut VS über 25 organisierte AnhängerInnen. Bundesweit sind in der NPD, die in Berlin nicht öffentlich auftreten darf, 6.400 Mitglieder eingeschrieben. Im vergangenen Jahr haben die Berliner NPDler 55 Veranstaltungen organisiert. Sie trafen sich in der Regel als „geschlossene Veranstaltung“, in Kneipen-Hinterzimmern.

Deutlich mehr Mitglieder als die NPD hat momentan die DVU: 650 BerlinerInnen gehören der Partei an, die von dem rechtsextremen Zeitungsfürsten Gerhard Frey geführt wird. Frey gibt unter anderem die 'National-Zeitung‘ heraus. Der verwandten Berliner Organisation „DVU-Liste D“ gehören rund 240 Menschen an. Unter Berücksichtigung von Doppelmitgliedschaften liegt das Potential der Frey -AnhängerInnen damit bei etwa 800. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Gesamtstärke damit um ein ganzes Drittel, heißt es in dem VS-Bericht.

ccm