Haftanträge in Wien veröffentlicht

■ Im Fall des Massenmordes an alten PatientInnen hat die Hauptverdächtige ihr erstes Geständnis teilweise widerrufen / Die Ermittlungsbehörden rechnen mit mehr Opfern als bisher bekannt

Wien (ap/dpa) - Die Haftanträge gegen die vier des Mordes an PatientInnen verdächtigen Stationsgehilfinnen wurden mittlerweile veröffentlicht. Wieviele Morde von den Hilfsschwestern im Wiener Krankenhauses Lainz verübt wurden, ist jedoch weiterhin unklar. Die mutmaßliche Haupttäterin Waltraud Wagner hat ihr erstes Geständnis, 39 alte Menschen getötet zu haben, mittlerweile zum Teil widerrufen. Sie könne sich nicht mehr genau an die Namen und die Zahl ihrer Opfer erinnern. Seit Sommer 1988 habe sie pro Monat etwa drei PatientInnen getötet. Nach Vorlage des Sterbebuches nannte sie 26 Personen in diesem Zeitraum. Die Hilfsschwester Irene Leidolf sagte laut Haftantrag aus, sie wisse seit 1982, daß ihre Kollegin Wagner PatientInnen töte. „Leidolf ist überzeugt, daß von Wagner in den letzten Jahren je 100 Patienten getötet worden waren“, heißt es im Haftantrag. Irene Leidolf gab zu, selbst fünf bis zehn PatientInnen getötet zu haben. Der mittlerweile vom Dienst suspendierte Chefarzt Franz Pesendorfer teilte nach Durchsicht der Krankengeschichten mit, daß „in etwa 70 bis 80 Fällen eine Tötung der Patienten durchaus plausibel erscheint“.

Die inhaftierte Maria Gruber gab laut Haftantrag zu, von Waltraud Wagner in die Tötungen eingeweiht worden zu sein. Sie selbst habe zwei PatientInnen ein Beruhigungsmittel gespritzt. „Sie legt Wert darauf, daß es sich bei diesen tatsächlich um todkranke, nicht mehr ansprechbare Patienten gehandelt habe“, wird im Haftantrag betont.

Die Ermittlungen in Wien laufen auf zwei Ebenen: die Vernehmung der verhafteten Schwestern und die Suche nach möglichen Mitwissern im Krankenhaus. Die Polizei verhängte am Donnerstag eine Nachrichtensperre, damit die Ermittlungen nicht gefährdet werden. Die Polizei scheint davon auszugehen, daß sich die Zahl der Opfer im Laufe der Ermittlungen noch drastisch erhöhen kann. Tausende von Krankheitsgeschichten und Sterbebucheintragungen müssen auf den Verdacht einer unnatürlichen Todesursache überprüft werden: „Die Geständnisse der Frauen helfen uns nicht viel weiter, Geständnisse können widerrufen werden; wir müssen ihnen die Fälle nachweisen können.“ Parallel zur Polizei soll auch eine unabhängige internationale Expertenkommission die Vorgänge in Lainz untersuchen.

GS