Der Hafenstraße droht das Aus

Nach schweren Krawallen bezeichnet Bürgermeister Voscherau das Projekt als „gescheitert“ / Auch die Freidemokraten an der Elbe schwenken auf Voscheraus Kurs ein / Langes juristisches Tauziehen möglich  ■  Aus Hamburg Axel Kintzinger

Nach schweren Krawallen in der Nacht zu Donnerstag droht dem Hamburger Wohnprojekt Hafenstraße das Aus. Bürgermeister Henning Voscherau (SPD): „Es ist genug.“ Und weiter: „Die Bürger Hamburgs haben genug von Gewaltanmaßung, genug von Selbstbedienung, Terrorisierung der Nachbarschaft, Bedrohung und Verängstigung.“ Nun will er alle rechtlichen Möglichkeiten so schnell wie möglich ausschöpfen, um die rund 100 Bewohner aus den Häusern zu bekommen - „daß das Projekt gescheitert ist, weiß jeder“.

Zum jüngsten Krach war es gekommen, als am späten Mittwoch abend rund 40 Polizisten die Hafenstraßen-Kneipe „Onkel Otto“ betraten, um einen vermeintlichen Autoknacker zu stellen. Nach Polizeiangaben sei sich ein Beamter „ganz sicher“ gewesen, einen zwei Tage zuvor entkommenen „Automarder“ beim Betreten der Kneipe erkannt zu haben. Die gesuchte Person fand man jedoch nicht. Als die Polizisten das Lokal verließen, hagelte es Gehwegplatten und Steine, die aus den ehemals besetzten Häusern geworfen wurden, auf sie. Dabei wurden elf Polizisten verletzt. Wegen „bestehender Lebensgefahr“, erklärte die Polizei später, habe man den Rückzug antreten müssen. Die Hafenstraße blieb mehrere Stunden gesperrt.

In den letzten Wochen war es zu mehreren kleinen Auseinandersetzungen gekommen. Der Ablauf ähnelte sich: In der fast ständig unter Polizeikontrolle stehenden Hafenstraße werden Autos aufgebrochen, und bei der Verfolgung geraten Polizisten mit Personen aneinander, die von ihnen den Bewohnern oder deren Umfeld zugerechnet werden. Während sich Senat und Parteien - angeheizt von den Springer-Zeitungen - eine Anhäufung von Straftaten im Bereich der Hafenstraße beklagen, fühlen sich die Bewohner von der steten Polizeipräsenz provoziert. Militante Aktionen im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der RAF-Gefangenen, die in der Hamburger Öffentlichkeit sehr schnell der Hafenstraße zugeschrieben werden, haben das Klima weiter verschlechtert.

Vorfälle wie die Randale dieser Woche stellen in den Augen des sozialliberalen Senats einen Verstoß gegen den Pachtvertrag dar, den im November 1987 der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi geschlossen hatte. Weil Polizisten im Rahmen von Ermittlungen der Zugang zu einem der Häuser verwehrt worden war, wurden die Bewohner Anfang dieses Jahres von der damaligen Verpächterin der Häuser, der stadtnahen Lawaetz-Stiftung, abgemahnt. Mittlerweile wurde das Eigentumsrecht an den Häusern an die Hansestadt zurückübertragen. Für sie ist jetzt Senatorin Elisabeth Kiausch (SPD) zuständig. Sie ist auch verantwortlich für die in Gründung befindliche „Hafenrand GmbH“, die als städtisches Unternehmen angeblich schon ab Mitte nächster Woche die Häuser verwalten soll. Möglicherweise bekommen die Bewohner wegen der jüngsten Randale aber schon vorher die zweite Abmahnung zugestellt. Dann kann nach vier Wochen der Pachtvertrag gekündigt werden. Das will Voscherau tun. Der bisher zurückhaltendere Regierungspartner FDP kippt um: Dem in der kommenden Woche stattfindenden FDP-Landesparteitag liegen verschiedene Anträge vor, mit denen das Scheitern des Modells Hafenstraße festgestellt werden soll. Bei den Elb -Liberalen rechnet man mit einer Mehrheit für solche Anträge.

Wenn Voscherau daran festhält, das Ende der Hafenstraße allein mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bewirken, brauchen beide Seiten einen langen Atem. Sollte es zur Kündigung kommen, müssen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Abmahnungen entscheiden. Sollte der Senat dabei erfolgreich sein, steht ihm noch ein dickerer Brocken im Weg - die juristische Prüfung, ob der Pachtvertrag nach mietrechtlichen Kriterien haltbar ist. Die Regelung etwa, daß Straftaten einzelner zur Kündigung sämtlicher Bewohner führen können, wird von Mietrechtsspezialisten als sittenwidrig eingeschätzt.