„Unsere Väter waren Helden“

In einem der anonymen Pamphlete, die in Erwartung des 100. Geburtstags des „Führers“ in der neonazistischen Szene kursieren und in denen vornehmlich gegen jüdische BürgerInnen, AusländerInnen und AsylbewerberInnen gehetzt wird, heißt es unmißverständlich: „Unsere Väter waren Helden.“ Das eindeutige Bekenntnis zum Nationalsozialismus und zu den verbrecherischen Führern der braunen „Bewegung“ ist „in“ bei den Neonazis in der Bundesrepublik. Adolf Hiltler als Vorbild für die national denkende Jugend in der zweiten Republik? Eine Frage, die von einem jungen Skinhead in einer Sendung des Hessischen Rundfunks zum Thema eindeutig mit „Ja“ beantwortet wurde.

Der Bekennermut zur Ideologie der Nationalsozialisten und zu Adolf Hilter wächst. Ein gewisser Gerd Knabe schreibt in einer wahrscheinlich in Österreich gedruckten und in der Bundesrepublik kursierenden Hetzschrift, daß es an der Zeit sei, eine neue VVN zu gründen, eine „Vereinigung der Verfolgten des Nachkriegsregimes“. Denn die eigentlich politisch Verfolgten in der Bundesrepublik seien die bekennenden Nationalsozialisten. Da ist vom „jüdischen Superimperialismus“ die Rede, und es wird wieder einmal behauptet, die „Zionisten“ hätten den Holocaust „erfunden“.

Der Neonazichef Michael Kühnen hatte schon 1985 - nach der Gründung des „Kommitees Adolf Hitler“ (KAH) in Spanien erklärt, daß er „nicht der neue Führer“ sein möchte, denn das Charisma des alten Führers sei schließlich ungebrochen. Als Kaderorganisation sollte das KAH in den Jahren bis zum 100. Geburtstag Hitlers in allen Bundesländern und auch im europäischen Ausland für Einigkeit innerhalb der Bewegung sorgen und eine Renaissance des „Hitlerismus“ einleiten: „Kameraden! Sprüht das AHK-Symbol an die Mauern; nutzt jede Gelegenheit, zum 100. Geburtstag des Führers, des deutschen Zeitwenders, an Adolf Hitler zu erinnern“, appellierte Michael Kühnen im Januar '89 in einem Rundbrief an seine „Kampfgefährten“. Und die Kameraden ließen sich nicht lange bitten: In Langen, einer Stadt, die nach dem Willen Kühnens die „erste ausländerfreie Stadt Deutschlands“ werden sollte, kommen die städtischen Bediensteten kaum noch nach mit dem Übertünchen der Nazisymbole und -sprüche: „100 Jahre Adolf Hitler - Sieg heil!“ Privatleuten stellt die Stadt bereits kostenlos Pinsel und Farbe zur Verfügung, „damit die Bürger diesen Dreck beseitigen können“, wie sich der Betriebsleiter des Langener Bauhofs, Wehrheim, gegenüber der Lokalpresse ausdrückte.

In der „Hochburg der Bewegung“, so ihr Lokalmatador Heinz Reisz (FAP), wollen die Neonazis „in einer Gaststätte feiern“ - und dabei die Jenniger-Rede (!?) verlesen, denn dieser Mann habe schließlich den Mut gehabt, die Wahrheit zu sagen. Hitler-Reden vom Tonband und das „Absingen von Liedern“ sollen die „Gedenkfeier“ würdig umrahmen. Reisz: „Wir erwarten etwa 40 Gäste.“ Ihren ersten Antrag, den die Neonazis noch vor dem NS-Verbot vorbereitet hatten und den sie im Langener Stadtrat einbringen wollten, falls ihnen der Einzug ins Stadtparlament gelungen wäre, mußten Reisz und seine Leute nach dem NS-Verbot allerdings wieder einstampfen: die Umbenennung des Langener Marktplatzes in Adolf-Hitler-Platz.

Im hessischen Hochheim, der einzigen bundesdeutschen Stadt, in der Neonazis aus der harten Szene bislang Sitze in einem Kommunalparlament erringen konnten, befürchten die Politiker aus den Reihen der etablierten Parteien für den 20. April eine Machtdemonstration der „Deutschen“. Die Fraktionen von SPD, CDU und Grünen verschoben - angesichts der zwei Abgeordneten der rechtsradikalen Partei „Die Deutschen“ in ihrem Gemeindeparlament - die konstituierende Sitzung, die für den 20. April geplant war, um einen Tag, „damit die Nazis an diesem Tag kein öffentliches Forum haben“. „Die Deutschen“, die vom hessischen Verfassungsschutz nach wie vor für eine „unbedeutende Organisation“ gehalten werden, halten sich allerdings noch bedeckt. Offizielle Hitler -Feierlichkeiten wird es wohl in Hochheim nicht geben, obgleich „Die Deutschen“ in der Weinstadt an der Mainmündung ein Ableger der verbotenen NS des Michael Kühnen sind. Neonazis aus Langen und Frankfurt hatten die Hochheimer Gruppe in den Jahren 87/88 aufgebaut, die dann - vor allem durch die Stimmen der in Hochheim ansässigen Ostaussiedler bei den diesjährigen Wahlen im März den Sprung ins Rathaus schafften.

Nach dem Willen der hessischen Neonazis soll Langen dann im Sommer - „aber immer noch im Führerjahr“ (Reisz) Schauplatz eines größeren Aufmarsches militanter Rechtsradikaler werden. Die FAP will mit 400 „Kameraden“ in Langen aufmarschieren und auf einer Veranstaltung dem Führer huldigen. Einen Saal will Reisz für seinen späten Gruß an den Führer auch schon gefunden haben, denn „für Geld machen die Demokraten alles“.

Klaus-Peter Klingelschmitt