Ein klares Jein zu Wackersdorf

Bonner Ministerrunde: Wir halten an der WAA fest Lambsdorff: Alles offen / Kohl: Schweigend in der Schweiz  ■  Von Kriener/Wiedemann

Bonn/Berlin (taz) - Der Streit um die Zukunft der Baustelle in Wackersdorf ist voll entbrannt. In Abwesenheit von Bundeskanzler Kohl erklärte eine eilig einberufene Koalitionsrunde am Freitag, die Bundesregierung werde an der WAA festhalten. Diese Erklärung folgte als unmittelbare Reaktion auf die Erpressungsversuche von CSU-Chef Waigel, der seinen Eintritt in die Regierung vom Schicksal der WAA in Wackersdorf abhängig gemacht hatte und auf den „ungewöhnlich eindringlichen Brief“ (dpa) von Bayerns Ministerpräsident Streibl an Kohl anspielte. Streibl hatte darin eine unverzügliche Richtlinienentscheidung zur WAA gefordert.

Überraschend teilte dann am Freitag morgen Regierungssprecher Schmülling mit, die Bundesregierung halte „ein integriertes Entsorgungskonzept am Standort Wackersdorf weiterhin für nötig“. An der Konferenz im Kanzleramt hatten zuvor die Minister Riesenhuber, Töpfer, Hausmann, Schäuble, der künftige Finanzminister Waigel, FDP-Chef Lambsdorff sowie Bayerns Umweltminister Dick teilgenommen. Schmülling zeigte sich von der Erklärung selbst überrascht. Dies bedeute aber nicht, daß damit die Veba-Pläne für eine französische WAA-Partnerschaft zwangsläufig scheitern müßten, sagte der Regierungssprecher. Eine nationale Lösung schließe eine internationale Lösung nicht aus. Schmülling wörtlich: „Mit den Franzosen wird eine europäische Lösung geprüft unter der Prämisse Wackersdorf zu erhalten, in Wackersdorf wird gebaut.“ Zu weiteren Fragen, wie die WAA bei einem Ausstieg wichtiger Energieversorger finanziert werden solle, wollte sich Schmülling nicht äußern.

Kohl selbst hatte am Vortag gegenüber der Presse jede eindeutige Festlegung vermieden und die Zukunft von Wackersdorf offengelassen. Gestern schwieg der Kanzler: Er war in der Schweiz auf Reisen.

Um die Verwirrung komplett zu machen, ging FDP-Chef Lambsdorff schon am Nachmittag wieder deutlich auf Distanz zur WAA. Im Deutschlandfunk widersprach er der Darstellung Streibls, daß die drei Parteivorsitzenden zum Bau von Wackersdorf entschlossen seien. Er habe noch keine Entscheidung getroffen. Das bisherige Konzept müsse überprüft werden.

Die Veba präzisierte gestern ihre Rechnung für die Wiederaufarbeitung. Danach würden die Kosten in Frankreich nicht um sondern auf ein Drittel der in Wackersdorf zu erwartenden Ausgaben reduziert. Auch der Energiekonzern VEW forderte, daß jetzt das Angebot aus Frankreich zu prüfen sei.

Veba soll nach diesem Angebot zwei Milliarden Mark zahlen und würde dafür 49 Prozent der Kapazitäten der dritten Stufe der WAA in La Hague erhalten. Auf dem Papier entspricht dies einer Jahreskapazi Fortsetzung auf Seite 2

tät von 400 Tonnen, das sind 50 Tonnen mehr als ursprünglich in Wackersdorf geplant.

Der SPD-Atomexperte Harald Schäfer warf der Bundesregierung vor, daß sich bei ihr offenbar die Betonköpfe durchgesetzt hätten. Wac

kersdorf drohe zum Zehn-Milliarden-Mahnmal mangelnder Lernfähigkeit zu werden.

Die BI Schwandorf warnte davor, dem Druck Bayerns nachzugeben. Bonn versuche es allen Recht zu machen, ein politischer Wille sei bei den Wechselbädern nicht mehr erkennbar. Sie rufen für für Sonntag zu einer Demonstration in Wackersdorf auf. Motto: „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff - Baustopp sofort!“ Die Christlichen Demokraten gegen Atomkraft forderte von der CDU „Mut zu einer energiepolitischen Wende“. Für ein störrische Festhalten an Wackersdorf gebe es keinen Grund.