Langeweile mit vier Toren

■ Fußball vorm Fernseher ist spannender, bequemer und informativer Schnöde Bilanz eines kalten Samstag-Nachmittags im Weser-Stadion

Alles schwärmt von der Atmosphäre des Livehaftigen, der Authentizität wirklicher Menschen gegenüber der Second-Hand -Realität bunter Fernsehbilder. Das ist weitgehend richtig. Konzerte sind Plattenaufnahmen vorzuziehen, Theateraufführungen vielen Filmen. Aber für den Fußball gilt das nur sehr begrenzt.

Zum Beispiel am Samstag. Die Stuttgarter Kickers waren im Weserstadion aufgelaufen, um den Aufwind von drei Siegen hintereinander auch an der Weser in Tore umzusetzen. Heraus kam weniger als laue Luft. Die Männer aus dem Schwabenland hätten acht Stunden kicken können; es wäre ihnen kein Treffer gelungen.

Schon nach 16 Minuten hatte Neubarth ein Tor eingestakst, kurz vor der Pause wurde Brat

seth von dem Dauer-Übeltäter Schlotterbeck im Strafraum umgelegt. Das Opfer rächte sich selbst und besiegelte die Niederlage der Stuttgarter. Das war es dann. Der Rest war Langeweile mit zwei Toreinlagen.

Da kommt man schon ins sinnieren. Wozu in diesem zugigen

Stadion auf einem kalten Platz sitzen, wenn da unten auf dem Rasen doch nur ein schwacher Gegner vorgeführt wird, der nie den Eindruck macht, Paroli bieten zu können? Wozu sich über den Schiedsrichter ärgern, der wie ein Torero auf die Spieler losgeht und Durchsetzungsfähigkeit mimt?

Wozu das Gekicke angucken, das weitgehend plätschert wie Wasser in die Wanne? Da ist der Fernseher zu Hause viel attraktiver. Es ist warm. Es ist nah. Die Zeitlupe wiederholt die wenigen attraktiven Szenen. Die Tore gibt es von der Seite, von hinten und wenn es sein muß in extremer slow-motion. Das Mittelfeld-Gekicke bleibt weitgehend ausgespart; die Reporter komprimieren, konzentrieren und reduzieren die neunzig Minuten auf ihre Substanz an Aufregung. Sie kappen das Mittelmaß, das zwar auch dazu gehört, aber nicht das ist, was wir sehen wollen. Und es ist entschieden billiger.

Solcherart waren die Gedanken des Reporters während der zweiten Halbzeit. Aufgeschreckt wurde er noch durch einige kluge Aktionen von Mittelstürmer Riedle, den frechen Flankenläufen der Neuentdeckung Dieter Eilts, der roten Karte für den ruppigen Vorstopper Schlotterbeck und den zwei fast zwangsläufigen Toren von Riedle und Thomas Wolter. Dann war es Zeit für ein ausgiebiges Bad des durchgefrorenen Chronisten. FWG