Do you speak germish?

■ Rocky Horror Show in der Stadthalle: eine lieblose Inszenierung, die trotzdem ankam, Dialoge in gebrochenem Deutsch, der copyrights wegen, eine neue Crew, die alte hatte keine Lust mehr

„Don't dream it, be it“. Waren das noch Zeiten, Anfang, Mitte der 7oer Jahre. Keine Selbstbeschränkungen mehr, Freizügigkeit auf der ganzen Linie, mal so richtig die Sau 'rauslassen können. Was sich da im Londoner Stadtteil Chelsea entwickelte, geriet schnell zum Selbstgänger. Männer in Strapsen und Lederbodies, gruftiges Theaterambiente und Rock 'n‘ Roll am laufenden Band in aufwendig inszenierten Shows lockten Scharen von Rocky-Jüngern an.

Die Rocky Horror Show des Tourneetheaters, das vorgab aus

New York zu stammen, hatte auch nach 16 Jahren ein Heimspiel. Verwunderlich eigentlich, hatte doch ein ähnliches Unternehmen vor einigen Jahren so wenig Zuspruch, daß die gesamte Tour abgebrochen werden mußte. Das ist in diesem Jahr nicht zu befürchten.

Schon vor dem Eingang der Stadthalle war klar, daß sich einige ZuschauerInnen eine Menge vorgenommen hatten. Bunt kostümiert und grell geschminkt stöckelten sie in den grauen Veranstaltungsbunker. Jung waren sie, zum Teil sogar

jung genug, um zur Premiere der Originalfassung noch nicht geboren zu sein. So fehlten vielen die Vergleichsmöglichkeiten zur verschwenderischen Opulenz früherer Aufführungen. Einziges Kriterium blieb somit die Kinofassung des Stoffes um Brad und Janet, die in einem finsteren Schloß von einer Horde Tranvestiten kräftig über den Tisch gezogen werden.

Diesen Part beherrschte das Publikum allerdings formidabel. Noch war kein Ton vor dem aus langweiligen Stellwänden mit Spinnendekor bestehenden Bühnenbild erklungen, da flogen schon Unmengen von Reiskörnern auf erwartungsvolle Häupter. Unbeschreiblich dann der Jubel der gut gefüllten Halle, als es wirklich losging. Doch schon nach dem ersten Song dann die erste herbe Ernüchterung. Alle

Zwischendialoge waren in deutsch. „Do you speak germish? “, hätte das Motto lauten können, die größtenteils englischsprachigen DarstellerInnen ergingen sich in herzigen Akzenten, die eher an einen Deutschkurs des Goethe-Instituts erinnerten. Der Dilletantismus auf der Bühne war mindestens so unerträglich wie die naive Toleranz und Hinnahmebereitschaft des Publikums. Das Ensemble hatte die Reislawinen, Wasserfontänen in der Regenszene und die Wunderkerzen bei There's a light einfach nicht verdient.

Als der Kunstmensch Rocky erschaffen wurde, segelten Schwärme von Klopapierrollen durch die Halle, leider verpuffte die Wirkung wie eine Seifenblase. Die Assoziation eines Kasperle-Theaters wollte einfach nicht verblassen, doch die ebenso

lieb-wie leblose Show war durch nichts zu erschüttern. Wie ein Marionettenstück gerierte sich der kultische Überflieger im Schnelldurchgang, hops, ein Lied und schon tobte die Menge. Niemanden interessierte der Etikettenschwindel mit der Broadway-Company, die viel zu kleine Musikanlage oder das schauspielerische und choreographische Unvermögen der so herrlich lasziven Menschen auf der Bühne. Die Lachphilosophie des Abends reduzierte sich auf das unablässige Betatschen fremder Supensorien. Die Kids irritierte das wenig. Sie nahmen auch die Drittbesetzung hin, die kaum Zeit zum Proben hatte, wie sie hinterher zugeben mußten oder das Fehlen essentieller dramaturgischer Verbindungsstücke. Jeder bekommt, was er/sie verdient.

Jürgen Francke