Radler - je schneller, desto sicherer

■ Rolf Wietzer, Fahrradhändler in einem Tiergartener Rad-Kollektiv und Rennradler, zur Situation einer gefährdeten Minderheit im Verkehr / Empörung über versträkte Polizeikontrollen gegen Schnellradler / Für Tempo-30-Einführung

Mit den milden Temperaturen kommen auch wieder die winterverschlafenen Radfahrer hervor. Sie treten auf Gehwegen oder Radwegen gemächlich in die Pedale oder rasen im Affenzahn die Straße entlang. Jedes Jahr um diese Zeit führt deshalb die Verkehrspolizei obligatorisch verstärkte Kontrollen durch. Radfahrer und taz-Leser Rolf ist damit gar nicht einverstanden.

taz: Rolf, was paßt dir an diesen Kontrollen nicht?

Rolf Wietzer: Es wurden regelrecht Mausefallen aufgebaut, wie man es eigentlich nur bei Autofahrern kennt. Es waren gezielte Kontrollen gegenüber Radsportlern, für die es ja eine Ausnahmegenehmigung gibt. Die Polizei weiß, daß diese Rennradler im Jahr viele Kilometer zurücklegen und sich deshalb der Gefahren bewußt sind.

Es geht ja auch um sogenanntes Fehlverhalten im Straßenverkehr. Radfahrer brettern sehr häufig ziemlich rücksichtslos durch die Gegend.

Das halte ich für einen Irrtum. Wenn sich Radfahrer mehr durchsetzen wollen, ist das eher eine Reaktion auf die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer. Fahrradfahrer verhalten sich grundsätzlich defensiver, auch wenn sie mal ein bißchen Durchsetzungswillen zeigen.

Aber die „Durchsetzung“ in der Art, daß Radler gegenläufig in Einbahnstraßen reinfahren oder auf der falschen Straßenseite radeln, ist ja nicht ganz ungefährlich.

Die Frage der Benutzung von Einbahnstraßen in entgegengesetzter Richtung ist in anderen Städten schon längst gelöst. Da ist es nämlich Radfahrern gestattet. Und da es jetzt Trend ist, daß die Schwächeren, die sich langsamer, aber umweltbewußter fortbewegen, auch den kürzeren Weg wählen, sollten die Verantwortlichen auch mal einsehen, daß man denjenigen solche Möglichkeiten einräumen muß.

Du sagtest, daß Radsportler zum Trainieren auf bestimmten Strecken rasen können. Wenn sie sich aber auf den normalen Straßen bewegen, sollten sie sich da nicht auch an die Regeln halten?

Tun sie ja auch. Aber die Rennradler sind der bewußteste Teil der Radfahrer, eben weil sie sich in der Regel viel schneller fortbewegen. Es gibt auch Belege dafür, daß ein Radfahrer auf der Straße viel sicherer fährt als auf dem Radweg, wenn er einen Schnitt von über 30 kmh fährt. Der Radweg ist nämlich unglaublich gefährlich.

Und wenn ein Rennradfahrer auf der Straße so richtig loslegt, ist das nicht gefährlich?

Nein, weil er sich in dem Teil des Straßenverkehrs bewegt, auf den die Autofahrer selber achten, weil sie es mit ihresgleichen zu tun haben. Sie ärgern sich zwar über die Radler, aber sie beachten sie zumindest.

Das heißt, als Radfahrer muß man möglichst schnell auf der Straße losstrampeln, um beachtet zu werden?

Nicht unbedingt möglichst schnell. Man ist in der Geschwindigkeit viel, mehr den Autofahrern angepaßt als den viel langsameren Fußgängern. Man ist als Radfahrer je schneller, desto sicherer.

Das ist eine ganz neue Theorie.

Das kann dir jeder, der vom Radfahren Ahnung hat, erklären, daß der Radfahrer, wenn er sich schneller fortbewegt im normalen fließenden Verkehr, wesentlich sicherer ist. In Holland hat man aus dieser Erkenntnis die Konsequenzen gezogen und hat die Radfahrer parallel zum fließenden Verkehr eingeordnet auf Extraspuren.

In diesem Sinne wäre es ja auch sinnvoll, Tempo 30 einzuführen.

Auf jeden Fall. Da haben wir ja auch ganz klar die Erwartung an den rot-grünen Senat. Auch die Sperrung der Havelchaussee ist eine Forderung, die umgesetzt werden muß.

Was erwartest du dir sonst noch von einer fahrradgerechten Stadt

In erster Linie im Zusammenhang mit Tempo 30 die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht.

Ist es nicht eine Anpassung des Fahrradfahrers an die Autofahrermentalität, je schneller, desto toller?

Wenn ich es nicht als Sport betreibe, genieße ich es auch manchmal, mich langsamer fortzubewegen. Aber langsam ist ja nicht Schrittempo. Wenn man eine gerade Straße runterfährt, erreicht man ja spielend, ohne sich anzustrengen, ein ganz schönes Tempo. Wenn man erst mal rollt, rollt man.

Interview: du