„Wir sind halt Idealistinnen“

■ Die Handballfrauen vom TSV GutsMuths sind auch ohne das „große Geld“ erfolgreich

Eines hat Edgar Fahrenwald mit Weltklasse-Trainer Vlado Stenzel gemeinsam: „Er ist zu dick!“ lautet das kritische Urteil aus dem Kreis seiner Spielerinnen, den Bundesliga -Handballerinnen von GutsMuths. Alle seine Bemühungen, mit Sauerkrautsaft und Ahornsirup in Form zu bleiben, sind kläglich gescheitert, als Trainer ist er dagegen viel erfolgreicher. Im letzten und entscheidenden Meisterschaftsspiel der Saison besiegte GutsMuths den VfL Oldenburg mit 21:17 (9:10), belegt hinter den übermächtigen Konkurentinnen aus Leverkusen und Lützellinden den dritten Platz und hat schon fast einen Platz im europäischen Pokalwettbewerb sicher.

Auf den ersten Blick vielleicht nichts Ungewöhnliches, doch dieser Erfolg wird bei genauerem Hinsehen recht erstaunlich. „Sport kostet Geld“, hat schon 1920 der Berliner Journalist Ignaz Wrobel erkannt, und genau das fehlt GutsMuths an allen Ecken und Enden. Die haushoch überlegenen Spitzenteams aus der Stinkestadt Leverkusen und aus Lützellinden erreichen ihre Leistung mit Hilfe von reichlich Sponsorenknete, internationale Spitzenspielerinnen werden gekauft und Anreize durch Jobs, Autos, Wohnungen und dicke Verdienste geboten.

Ganz anders in Berlin. „Wir sind halt Idealistinnen“, sagen die Spielerinnen dazu, „das ist wohl unsere Macke.“ So muß es wohl sein, denn absahnen kann frau bei GutsMuths nicht. So bei 400 bis 600 Mark monatlich liegt die Bezahlung für vier- bis sechsmal Training die Woche, lange Reisen zu den Auswärtsspielen und die zusätzlichen Lehrgänge und Spiele für die bundesdeutsche Auswahlmannschaft, die die acht ehemaligen und aktuellen Nationalspielerinnen noch zu bewältigen haben.

Spaß muß es also sein. Die Lust am Handballspielen - und dabei so gut wie möglich. Genau zu dieser Einstellung paßt das Konzept von Edgar Fahrenwald. Ohne Druck und autoritären Zwang möchte er nur dazu beitragen, daß jede Speilerin „das Beste aus ihren Möglichkeiten macht“. Die kontinuierliche, langsame Entwicklung der individuellen Fähigkeiten steht dabei im Vordergrund.

Und so ist es auch geschehen. Seit fast sechs Jahren arbeitet der Trainer mit einer fast unveränderten Mannschaft zusammen, die zu der Zeit aus der Jugend zu den Seniorinnen gewechselt hatte. Daraus erwächst auch mannschaftliche Stärke. Deutlich wurde dies gerade im Spiel gegen Oldenburg. Die für Bundesliga-Verhältnisse etwas zu kurz geratenen Berlinerinnen beweisen nicht nur Überlegenheit in Kondition und Technik, sondern vor allem im Zusammenspiel, geistige Beweglichkeit und Eigenständigkeit auf dem Spielfeld waren dafür Voraussetzung.

Die ist wohl auf ein Nichtvorhandensein der sonst üblichen Hackordnungen innerhalb einer Mannschaft zurückzuführen. Streitigkeiten sind selten, und wenn, ist sicher keine der Beteiligten mundfaul. Das bekommt auch Trainer Edgar zu spüren, der sich während des Spiels auf der Bank aus pädagogischen Gründen mit seinen Spielerinnen meist in etwas höheren Phonzahlen auseinandersetzen muß.

So ganz sorgenfrei ist die Zukunft des Vereins dennoch nicht. Ohne weitere finanzielle Unterstützung wird sich auch GutsMuths nicht lange oben halten können; immer mehr Vereine mit großen Etats drängen in die erste Liga und werden dort wohl endgültig eine Zwei-Klassen-Gesellschaft etablieren. Um dann bestehen zu können, wird man auch in Berlin nicht umhinkommen, neue Spielerinnen zu verpflichten.

Schmiernick