Wodka gegen Fernseher

Die Frau hat eine in Plastikfolie eingehüllte Puppe auf dem Arm. Vor ihr, auf dem Boden, stehen drei Paar Schuhe. Am späten Sonntag nachmittag vor der Philharmonie. Nur noch wenige Autos auf dem Parkplatz, ein polnischer Reisebus. Einige Menschen stehen noch in Grüppchen beieinander, diverse Gegenstände vor sich ausgebreitet. „Wir verstehen nicht, daß wir nicht auf den alten Platz dürfen“, sagt Teresa und weist in Richtung Krempelmarkt. Das Gelände des Polenmarktes wurde noch vom alten Senat eingezäunt. Die Vierzigjährige kommt aus einem kleinen Ort 100 km östlich der deutsch-polnischen Grenze und war schon mehrere Male hier.

Acht Mark sollen die Schuhe kosten. Das teuerste Angebot waren Ledertaschen für 30 Mark. Lebensmittel dagegen führt Teresa „nicht mehr“. „Wegen dem polnischen Zoll“, erklärt sie. Sie verstehe, sagt sie, das Verbot aus hygienischen Gründen. Aber viele Kunden seien gekommen und hätten nach polnischem Essen gefragt. Das eingenommene Geld, so beteuert sie, wolle man gleich hier wieder ausgeben. „Televisor“, sagt der Mann, einen Farbfernseher, Elektrogeräte und Obst wolle man kaufen. Einen Walkman will sich der 28jährige Stepan kaufen. Er ist zum zweiten Mal in Berlin. „Vielleicht zum letzten Mal“, sagt er. Ihm und seinen zwei Freunden aus Krakau gefällt es nicht auf dem Platz vor der Philharmonie. Die Polizei hätte heute allerdings nicht kontrolliert, erzählt er und bietet mir eine Flasche Wodka für fünf Mark an. Vor dem Krempelmarkt und dem Mendelsohn-Bartholdy-Park finden die letzten Geschäfte statt. Wodka kostet hier sieben Mark, fünf Pingpong-Bälle zwei Mark, Lippenstifte, Cremedosen, Schmuck jeweils ein oder zwei Mark, eine Bernsteinkette sechs Mark.

Aber mit mir reden will hier niemand. 'Gazetta‘ (Zeitung) wird argwöhnisch geflüstert, als ich eine Frage stelle, und niemand versteht auf einmal deutsch. Zwei Parkbänke weiter ist das Geschäft für heute beendet. Bevor die Taschen gepackt werden, wird noch schnell eine Flasche Wodka geköpft.

-guth