Zwei rasende Reporter

■ ARD-Serie über die tägliche Hatz nach Sensation

Der notorische Zynismus von Journalisten, die noch im Augenblick des Todes eines Delinquenten um ein ästhetisches Arrangement des Exekutionskommandos bemüht sind, ist ein bekanntes Phänomen und wird als Deformation derjenigen hingenommen, die von Berufs wegen Bilder und Berichte von Massakern und von der Bombe, von der einen und der nächsten Katastrophe liefern sollen. Dabei scheint es ebenso konsequent, daß längst nicht mehr klar ist, wer mehr abgestumpft ist vom täglichen Einerlei hereinbrechender Bedrohungen: der Berichterstatter oder sein Empfänger, der mit Gleichgültigkeit Skandal um Skandal, Sensation um Sensation registriert.

Der Aufmacher, der eigentlich eher Aufschneider heißen sollte, weil er die zahllosen kleinen Ereignisse dieser Welt zum täglichen Sensatiönchen aufbläst, ist der Nervenkitzel unserer Zeit. Die Jagd nach den Informationen, die die Konkurrenz einem garantiert vor der Nase wegschnappt; all die Ausgeburten einer Presse, die begierig jeden Furz aufgreift, weil er scheinbar aus dem Rahmen fällt: Kein Stoff eignet sich besser für eine Fernsehserie, denn zum Thema Journalismus kann man die Kollegen im Haus fragen, und tatsächlich wollte Regisseur Klaus Emmerich die neunteilige Serie Reporter ursprünglich im Bereich elektronischer Medien ansiedeln. So selbstkritisch mochten sich die Anstalten im Zeichen permanenten Konkurrenzdrucks der Privaten dann doch nicht geben, deshalb spielt Reporter in der Redaktion einer großen Illustrierten namens TNT Themen Nachrichten Tendenzen.

Wider Erwarten gelingt es Klaus Emmerich, sich der Verpflichtung zu seichter Unterhaltung nach der Tagesschau zu entziehen und etwas von dem Hintergrund zu zeigen, auf dem das Informationsgeschäft basiert. Dabei sind nicht so sehr die direkten Verweise auf die Brutalität des Nachrichtenhandels entscheidend, sondern die kleinen ironischen Notizen über den Redaktionsalltag. Hier enthüllt sich etwas von der Absurdität eines Journalismus, der im Bombardement der News und Banalitäten nach manchmal etwas abwegigen Entlastungen sucht: der Chefredakteur - übrigens Übervater Henri Nannen nachempfunden - kauert meditierend im Kimono vor dem Chefsessel. Der Starfotograf des Blattes hackt umständliche Sätze in die Schreibmaschine, neben ihm liegt aufgeschlagen ein Handbuch über Techniken der Reportage. Er will jetzt schreiben, nicht mehr Leichen fotografieren. Und der Ressortleiter schaltet nach der Konferenz seine Spielzeugeisenbahn an, die auf dem Wandbord entlangdampft, während aus dem Ticker Schreckensnachrichten quillen. Der Überfluß des Informationsflusses wird vergnüglich, manchmal auch drastisch geschildert, und immer, wenn die Serie das Allzumenschliche journalistischer Routine überzubetonen beginnt, passiert das nächste Flugzeugunglück, der nächste Terroranschlag. Katastrophen, die bisweilen so genau mit den menschlichen Katastrophen in der Redaktion korrespondieren, daß der tägliche kleine Skandal als Lebenselexier längst unverzichtbar zu sein scheint. (Reporter, jeweils montags, ARD, 20.15 Uhr, vom 17.4. bis 12.6.)

Christof Boy