ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  We all live in a yellow submarine, auch XTC

Die drei Musiker von XTC sind Meister des Verstellens. Nicht nur, daß sie manchmal ihre exzentrischen Ideen als „Dukes of Stratosphere“ ausleben, sie täuschen auch, wenn sie nur XTC zu sein scheinen. Diesmal machen sie uns etwas vor, indem sie nachmachen: die Musik der sechziger Jahre. Und es ist so, als ob sie ein Album mit der Aufschrift „Vorsicht Ironie“ verkaufen wollen, denn absichtsvoller kann Pop-art gar nicht auf dem Cover prangen. Andy Partridge, Dave Gregory und Colin Moulding im Land der Pilzköpfe, und wer das immer noch nicht zuordnen kann, wird vollends vor sein Brett vorm Kopf gestoßen - durch ein kleines U-Boot, das zwischen Orangen und Zitronen durchtaucht und rechts aus dem Bild entwischt. „We All Live in a Yellow Submarine“, mit süßen und sauren Früchten wie Luftblasen, die aufsteigen aus dem Schlund einer Tuba, die eigentlich lieber E-Gitarre sein will.

Auch die Musik macht uns viel vor. Allerlei psychedelisches Geplänkel und Brian-Auger-Hammondorgeln und was da sonst noch an Attributen aus den Sixties direkt in den Armen von Flower-Power landete. Aber vor allem will die Musik glauben machen, daß sie nicht ernstzunehmen sei.

Nun hat der humoristische Blick auf die Tugenden der Ur -Popmusik auch etwas Rührendes, denn hinter dem Witz, den sich die drei von XTC auf ihr Sixties-Revival machen, steckt eine tiefe Liebe zu dieser Art von Musik. Während all die Transvision Vamps und Pop-Selbstaufesser wie Kannibalen in der Musiküberlieferung hausen und vom Leichenschmaus nur scheußliche Zitatfetzen herausrülpsen, würden sich Andy Partridge & Co sicher lieber mit dem Yellow Submarine als Zeitmaschine ins Vergangene zurückversetzen und dort ihre manchmal wirre, aber immer eigenwillige Pop-Phantasie spielen lassen.

„Ich bin nicht verwandt mit dem achtziger Ding, wo du nach der Nummer eins schaust“, singt Andy Partridge denn auch mit gewohnter melancholischer Seriosität, und es schwingt tatsächlich so etwas wie Wehmut mit. Und manchmal auch ein Anflug von Zynismus: Zynismus angesichts der Amoralität der Politik („Merely a Man“), der Kälte der Menschen - besessen vom Life-style des „Schöner Wohnens“ in der Gemütlichkeit der Postmoderne („Scarecrow People“), und angesichts der stupiden Rationalität von Mathematikern, die mit kühler Logik das Gewicht der Sonne berechnen, als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun („The Mayor of Simpleton“).

Doch es ist keine Häme, mit der bloß die anderen bedacht werden; es ist eher die Hilflosigkeit, daß auf solche Zustände nur mit noch mehr Eiseskälte zu reagieren ist: „Hurra läutet die Glocke, König Bewußtsein ist tot, nun zurück in die Zellen, wir haben statt dessen Präsident Kill.“ Zum Glück färbt der zynische Biß der Texte, hinter denen sich viel Enttäuschung verbirgt, nicht auf die Musik ab; sie ist komplex, aber nicht kompliziert, und im Gemischtwarenladen Popmusik glänzt das Doppelalbum verlockend frisch zwischen den faulen Früchten.

Christof Boy

XTC - Oranges & Lemons Virgin