Post aus der Moderne: 27. Germinal

Hannover, im April 1792 (Das politische Glaubensbekenntniß des Freiherrn Adolph von Knigge) - Nichts kömmt mir alberner vor, als wenn man sich in moralischen und politischen Gemeinsprüchen über die Befugnisse und Nichtbefugnisse einer ganzen Nation, ihre Regierungsform zu ändern, ergießt; wenn man darüber raison

niert, was ein

Volk, wenn es

sich empört,

hätte thun sol

len, und wie es

hätte besser

und gelinder

handeln kön

nen und sollen,

und ob zu viel

oder zu wenig

Blut dabey ver

gossen worden.

Ja! wenn von ei

nem Plane die

Rede ist, den

ein einzelner

Mann entwirft... Wenn aber ein ganzes Volk, durch eine lange Reihe von würkenden Umständen dahin gebracht ist, seine bisherige Regierungsform, die nichts taugte, die nicht in die jezzigen Zeiten, nicht zu dem gegenwärtigen Grade der Cultur paßte, in welcher sich der größte Theil der Bürger unglücklich fühlte, mit Gewalt über den Haufen zu werfen; wenn dies also nicht nach einem bestimmt angeordneten Plane, sondern durch einen Windstoß geschieht, der auf einmal das Feuer, das lange unter der Asche geglimmt hatte, in helle Flammen auflodern macht - wer kann da Ordnung fordern? Wer kann da bestimmen, ob zu viel, oder zu wenig geschieht? Schreibe dem Meere vor, wie weit es fortströhmen soll, wenn es den Damm durchbricht, den Jahrhunderte untergraben haben! Und wenn auch bey solchen Umwälzungen Scenen vorfallen, bey deren Anblikke die Menschheit zurückschaudert; wer trägt dann die Schuld dieser Gräuel? Ganz gewiß mehr die, gegen welche man sich empört (oder vielleicht ihre Väter) als die Empörer selbst - Auf sie, die entweder durch despotische Mißhandlung das Volks auf's Äußerste gebracht, oder durch Beyspiel und Beförderung des schändlichen Luxus und aller Wollüste wahren Seelen-Adel und Einfalt der Sitten in allen Klassen der Bürger zerstört, oder wenigstens, sorglos in ihrem Berufe, von boshaften, gleißnerischen, raubsüchtigen Schranzen umgeben, die Unterthanen der Verführung, der Plünderung und dem Drukke preis gegeben - Auf ihnen ruht die Sünde. 27.GERMINAL