Rau: RAF-Erklärung will Unruhe schaffen

Streit um Erklärung der RAF-Hungerstreikenden / Pohl-Anwalt entgegnet NRW-Regierungschef: Erklärung ist ein „Versuch, Eskalation zu verhindern“ / Rau wiederholt Angebot, kleinere Gruppen in SPD-Ländern zu bilden  ■  Von W.Gast und J.Nitschmann

Berlin/Düsseldorf (taz) - Nach dem Abbruch des Hungerstreiks durch die beiden RAF-Gefangenen Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Johannes Rau erneut die Bereitschaft der SPD-regierten Länder betont, RAF-Gefangene in kleine Gruppen zusammenzulegen. Er wolle sich dafür einsetzen, daß alle Bundesländer ihren „Spielraum“ nützten und so doch noch zu einer bundeseinheitlichen Lösung „zusammenfinden“. In diesem Zusammenhang verwies Rau auf den Vorschlag des Bonner Staatssekretärs Klaus Kinkel, der eine Zusammenlegung der 25 strafrechtlich verurteilten RAF-Gefangenen in fünf Gruppen mit jeweils fünf Personen vorgeschlagen hatte. Der SPD -Vorschlag sieht bislang nur eine Zusammenlegung der Gefangenen aus den SPD-regierten Ländern in Gruppen von vier bis sechs Personen vor. Rau bedauerte ausdrücklich, daß Kinkel mit seinem Vorschlag auf der Justizministerkonferenz am vergangenen Montag gescheitert war.

Kritisch äußerte sich der Düsseldorfer Regierungschef zur Erklärung der RAF-Gefangenen nach der Unterbrechung des Hungerstreiks: „In der Erklärung gibt es einen Satz, der auf Aktivitäten draußen hinweist“, sagte er. Er halte das „für ganz verhängnisvoll“. Nun Fortsetzung auf Seite 2

könne er nur hoffen, daß „die Zeichen des Aufgebens und die Zeichen des Einsichtigwerdens stärker überkommen als die vergeblichen und schrecklichen Versuche, Unruhe in unser Land zu bringen“.

Johannes Pausch, Anwalt des RAF-Gefangenen Helmut Pohl, warf Rau daraufhin vor, die Erklärung in diesem Punkt „bewußt falsch zu interpretieren“. Den Gefangenen gehe es in der Erklärung gerade darum, „die Eskalation regelrecht zu verhindern“. Der Hinweis auf „alle die draußen“ ziele eindeutig auf die anhaltende breite Unterstützung verschiedener gesellschaftlicher Grup

pierungen für eine Zusammenlegung der RAF-Gefangenen. Die könne „eigentlich niemand mißverstehen“.

Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes nahmen nach den Worten des Anwalts am Freitag nachmittag erstmals wieder Nahrung zu sich. Nach 73 Tagen sei es sogenannte „Astronautennahrung“ gewesen, die von beiden offenbar gut aufgenommen wurde.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Antje Vollmer wertete die Erklärung der Gefangenen als „kleines deeskalierendes Signal“, mit dem die RAF-Gefangenen „durchaus auf den Vorschlag der SPD-regierten Länder reagiert“ hätten. Es sei jetzt „eine sehr kurze Spanne Zeit gewonnen, die weitere Gespräche möglich macht“.

Harte Haltung demonstrierten derweil die CDU/CSU-Politiker. CSU-Chef Waigel erklärte am Wochenende, es dürfe „keine Verhandlung und keine Vermittlung“, sondern nur Gespräche und Normalbehandlung für die Gefangenen geben. Mit der Ablehnung des SPD-Vorschlages für Kleingruppen durch die Inhaftierten hätte die Partei „ihre Quittung“ für ihre „unverantwortliche Haltung“ erhalten.

Für Niedersachsens Justizminister Remmers (CDU) kommt auch jetzt allenfalls eine Zusammenlegung der RAF-Gefangenen mit anderen Inhaftierten in Frage. Voraussetzung für eine Änderung des Strafvollzugs wäre auch die Beendigung des Hungerstreikes und damit der „Erpressungssituation“. Eine neue Sonderkonferenz der Justizminister

zum Thema Hungerstreik wollte Remmers aber nicht ausschließen.

Sein Düsseldorfer Amtskollege Krumsiek (SPD) erklärte zum SPD-Vorschlag am Wochenende, „es gibt keinen Nachschlag, und es wird nicht aufgestockt“. Initiativen zu weiteren Gesprächen müßten jetzt von den Anwälten der Gefangenen kommen. Die gleiche Haltung nahm der Kieler Landeschef Björn Engholm (SPD) in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ein. Der Staat könne ein weitergehendes Angebot faktisch und politisch nicht machen.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Herbert Helmrich, übte sich unterdessen als Heckenschütze. Er warf den Anwälten der RAF-Gefangenen vor, sich am „organisierten Verbrechen“ zu beteiligen.