Es sind nicht nur die Mädchen

■ Betr.: „Wohin mit den vielen Mädchen...“, taz vom 6.4.89

(...) Einrichtungen zu Tabubereichen haben - wenn Betroffene anonym bleiben können und Vertraulichkeit garantiert ist eine gute Chance, wirksam zu helfen. Das Kinderschutzzentrum mit diesem Hintergrund hat seit 1981 Erfahrung mit der Arbeit bei Gewalt gegen Kinder in der Familie. Dazu zählen körperliche und seelische Gewalt, Vernachlässigung und sexuelle Ausbeutung von Kindern beiderlei Geschlechts. Der o.g. Artikel erweckt leider den Eindruck, daß nur Mädchen von sexueller Ausbeutung betroffen sind. Im Laufe unserer langjährigen Erfahrung haben sich aber sowohl sexuell ausgebeutete Jungen als auch Mädchen an uns gewandt bzw. wurden vermittelt. (Das Bundeskriminalamt spricht von einem Zahlenverhältnis 1 : 2.)

Sexuelle Ausbeutung ist für uns Ausdruck einer Familienkrise, von der jedes Familienmitglied betroffen ist. Deshalb helfen wir auch den anderen Geschwisterkindern und Erwachsenen. Es ist jedoch ein besonderer Schutz für das sexuell ausgebeutete Kind notwendig. In manchen Fällen gelingt es der Familie mit unserer Unterstützung, das Kind ausreichend zu schützen. In anderen Fällen ist eine anderweitige Unterbringung - wie auch bei sonstiger anhaltender Gewalt oder Vernachlässigung - dringend erforderlich. Auch freiwillige Familien sind hier meist überfordert.

Die Kinderschutzzentren in der Bundesrepublik fordern daher seit Jahren in der Ergänzung zu der bereits bestehenden Beratungsarbeit die Einrichtung von betreuten Kinderwohngruppen für beide Geschlechter, wo feinfühlig auf die seelischen Belange des Kindes eingegangen wird. Bisher gibt es dieses kombinierte Hilfsangebot leider erst in Berlin, aufgrund der positiven Erfahrungen demnächst aber auch in Köln. In Bremen fehlt dieses Angebot. Für uns liegt eine solche nötige Wohngruppe in weiter Ferne, da wir statt dessen seit Jahren immer noch um den Erhalt des Kinderschutzzentrums kämpfen müssen.

Mit freundlichen Grüßen

die Mitarbeiter des Kinderschutzzentrums Bremen