Pauker sollen nochmal streiken

■ 2.500 SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen demonstrierten für 200 Neueinstellungen in den Schuldienst und eine Stunde kürzere Arbeitszeit / Personalversammlung zeigte wenig Lust zum erneuten Arbeitskampf

„Wenn die Antwort auf einen hundertprozentigen Tarifbetrug Streik lautet, dann kann die Antwort auf einen 80prozentigen Tarifbetrug eigentlich auch nur

Streik sein!“ Diesen starken Satz rief der GEW -Landesvorsitzende Rainer Baltschun gestern in die Stadthalle II. Rund 1.000 der 5.000 Bremer LehrerInnen waren

am Nachmittag zu einer Personalversammlung erschienen und antworteten ihm mit schüchternem Applaus. Etwas kräftigeren Beifall gab es erst für den nächsten Satz des Gewerkschafts -Chefs: „Der GEW-Hauptvorstand hat am Samstag für einen mehrtägigen Streik die Auszahlung von Streikgeld beschlossen.“ Damit droht den Bremer LehrerInnen bei einer erneuten Arbeitsniederlegung kein Lohnausfall mehr, wie erst im Februar. Maximal 100 Mark pro Tag würde nun die Gewerkschaftskasse zahlen.

Gestreikt werden soll wie schon am 23. Februar gegen den, so die GEW, „Tarifbetrug“ des Bremer Senats. Nach dem „Lohnverzicht“ in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst erwartet die Gewerkschaft die versprochene Gegenleistung auch in den Schulen: eine Stunde weniger Unterricht für die LehrerInnen und zum Ausgleich die Einstellung von 200 neuen KollegInnen. Der Senat hatte am 11. April lediglich einen „faulen Kompromiß“ (Baltschun) vorgelegt: In drei Stufen soll die LehrerInnen-Arbeitszeit in Sonderschulen und der Primarstufe bis zum 1.8.1991 um insgesamt eine Stunde verkürzt werden. Gleichzeitig sollen 59 Neueinstellungen

(davon 12 in Bremerhaven) erfolgen.

„Fast 80 Prozent von uns gehen dabei leer aus“, faßte Baltschun auf der Personalversammlung das Senatsangebot zusammen. Damit bliebe Bremen auch noch weit hinter anderen Bundesländern zurück. „Wedemeier und Lafontaine halten zusammen das rote Schlußlicht“, sagte der GEW-Chef.

„Noch ist die nötige Mobilisierung nicht da“, blieb Rainer Baltschun gestern nach der LehrerInnen-Versammlung vorsichtig. Für einen erneuten Bremer Schul-Streik drängt allerdings die Zeit: Schon am 10. Mai soll der Senats-Plan in der Bürgerschaft beschlossen werden. Am Donnerstag werden die Betriebsgruppensprecher der einzelnen Schulen über die Durchführung einer Urabstimmung beraten und beschließen. „Bis dahin müssen wir noch einiges tun“, meinte Baltschun gestern.

Wenig kämpferisch verlief gestern auch die Demonstration im Anschluß an die Personalversammlung von der Stadthalle zum Ansgarikirchhof. Zwar beteiligten sich mit 2.500 LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen ungefähr halb so viele wie am Streiktag im Februar an dem Protestzug.

Doch selbst vor dem Sitz des Bildungssenators waren keine Parolen zu hören. Für Stimmung sorgten nur eine Salsa-Gruppe und die warme Sonne.

Das größere Gedrängel produzierte gestern nachmittag eindeutig James Last mit der akustischen Feier seines 60. Geburtstags. Seine Bühne mitten auf dem Marktplatz behinderte auch den geplanten Verlauf des LehrerInnen -Protestes. Eine Gruppe solidarischer, aber zu spät gekommener SchülerInnen fand den Weg vom ursprünglich angekündigten Ort der Abschlußkundgebung am Domshof nicht zum Ansgarikirchhof. Der Redebeitrag der Gesamtschülervertretung blieb deshalb ungehalten.

Mit amüsiertem Applaus war dafür bereits in der Stadthalle ein Lehrer bestätigt worden, der einen - selbst mehrtägigen

-Streik der Pauker für wenig wirkungsvoll erachtete. „Wenn wir mal das Abitur ausfallen lassen würden, dann wäre das schon was anderes“, hatte er sich überlegt. Doch das bißchen Unterrichtsausfall bei einem Streik lasse den Senat kalt. „Dann freut sich Senator Franke und stellt mit unserem eingesparten Gehalt wieder drei Kollegen ein.“

Dirk Asendorpf