HOMOPHIL-HARMONIE

■ Männer-Minne und erster Berliner Damenchor im Kammermusiksaal

Harsche Kritik ernteten die schwul-lesbischen Sangesambitionen im vergangenen Jahr von dem Solo-Stentor der Basisbewegung Matthias Frings: Die Bildung homosexueller Singekreise sei politisch völlig irrläufig, schließlich könne man einen Gauweiler nicht einfach wegsingen. So. Ob nun ein Herr Gauweiler weggesungen oder weggeklagt worden ist, lassen wir einmal dahingestellt sein. Jedenfalls hat uns die freundliche taz-Montags-Marianne darüber aufgeklärt, daß Frings seinen politischen Weitblick der astrologischen Zunft verdankt, und wir begreifen: Wer den Kopf so hoch in den Sternen trägt, kann ja kein Herz, geschweige denn ein Ohr für jene tieferen Lagen haben, die der „Neue Berliner Damenchor“ und „Männer-Minne“ am vergangenen Wochenende im Kammermusiksaal zu Gehör brachten.

Zugegeben: Die metaphorische Anbindung der Musen an die Politik war zu Beginn der Veranstaltung noch nicht so ganz treffsicher: zu von den Herren und Damen gemeinsam vorgetragenen Freischütz-Spottgesängen verfehlten abgefeuerte Gumminapfpfeile aus dem Klausel-28-Köcher immer wieder eine große Zielscheibe. Das sollte heißen: Briten -Heteros, euer Gesetz trifft daneben. Ein künstlerisch wie politisch etwas fragwürdiges Bild. Aber dann wurde von den Frauen im Crescendo sapphissimo ein Repertoire tremoliert, das selbst die männliche Minnenriege erblassen ließ. Gemessen an ihrem Auftritt zum schwul-lesbischen internationalen Chortreffen im vergangenen Jahr hat der „Neue Berliner Damenchor“ nun endlich seine Identität gefunden; da mußte nicht mehr mit mühsam demonstrativem Pseudo-Vamp-Outfit fürs Parodistische gesorgt werden, nachti -gallig süß und bös gab es zynische Abgesänge auf fleißige Jura-Studentinnen, die über den Rechten das rechte Leben versäumen, und mit kanonischen Sopran-Kaskaden wurde gegen die Wohnungsnot tiriliert (Frauen brauchen Frauen-Zimmer). Mit Rank geführten Alt-Parteien wurde schließlich ein Requiem auf die Berliner Frauensub gegeben (Nachts in der Bar um halb zehn...)

Gegen die stimmliche und gestische Glanzleitung der Lieder -Lesben hob sich der folgende Auftritt von „Männer-Minne“ un poco dilettando ab. Anstelle von heiterer Leichtigkeit gab's körperschwere Sangesbrunst. Ein Herr Schmalz von der Deutschen Oper hatte für die rund 40 Helden-Kehlen Choreographien entwickelt, die eher Truppenbewegungen glichen und mitunter dem Namen des Bewegungsdesigners heftig Ehre machten: da kreisten gestreckte Arme dramatisch und sehnsuchts-simultan im roten Licht, Kniefälle in Reih und Glied versicherten die Innigkeit, mit der amerikanische Songs zum Besseren gegeben wurden (schon wieder: I am what I am... !). Spontan waren da nur Schweißausbrüche des bravourösen Dirigenten Scott Clemons, die verdeutlichten, wie schwer es ist, 40 Hengste zu lenken, die einen Kanon aus dem Dreck ziehen sollen.

Die Hauptsensation war jedoch, daß die beiden Chöre überhaupt in den Kammermusiksaal einreiten konnten. Wie allen Mitgliedern der Vereinigung des Berliner Sängerbundes steht auch der „Männer-Minne“ einmal im Jahr der prominente Millionenbau für Darbietungen der anderen Art zur Verfügung. Und was sie am vergangenen Freitag und Sonntag praktizierten, war somit eine glatte stimmliche Besetzung eines öffentlichen Musentempels. Im übrigen: beinahe ausverkauft sogar.

Rainer Maria Bilka