Die globale Männerwelt

■ Zum Verfahren gegen Ute und Melanie Loh in Zypern

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Es ist furchtbar, erfahren zu müssen, wie wenig Mitleid und Verständnis Ute und Melanie Loh bisher in Zypern entgegengebracht wird. Der Stil der Vorverhandlung mit einer offenbaren Kumpanei zwischen Richter, Staatsanwalt und überwiegend männlichem, sensationslüsternem Publikum läßt für den Prozeß Schlimmes an Demütigungen für die beiden Frauen befürchten. Da sogar eine Anklage wegen vorsätzlichen Mordes nicht ausgeschlossen ist, müssen Ute und Melanie Loh eventuell eine sehr hohe Strafe „verbüßen“ - dafür, daß sie sich verzweifelt gegen die Unmenschlichkeit einer Vergewaltigung zur Wehr gesetzt haben.

Ihrer Verteidigung muß es gelingen, die Tat des Mannes in den Mittelpunkt zu rücken, damit die Notwehr der Frauen sich zumindest strafmildernd auswirken kann. In der Häme und Verachtung, mit der über die Frauen geurteilt wird, bündeln sich die Vorurteile einer patriarchalen Gesellschaft, die die Opfer zu Schuldigen macht. Darin unterscheidet sich Zypern aber nicht von Griechenland, von Italien, von Frankreich, von der Bundesrepublik. Hier sind die Schlagzeilen der Boulevardpresse über die beiden Berliner Frauen nicht weniger ekelhaft und die Vorstellungen des „Die -sind-doch-selber-schuld“ immer noch bestimmend für Vergewaltigungsprozesse.

Das schreckliche Geschehen in dem Dorf Yeni Erenköy wird allerdings noch von einer besonderen Problematik charakterisiert: dem Tourismus und seinen Folgen. Eine sehr große Ambivalenz herrscht bei den Menschen der Gastgeberländer. Tourismus ist erwünscht, weil Geld verdient werden kann, die Touristen und Touristinnen sind oft sehr viel weniger erwünscht und werden wegen ihrer Verhaltensweisen mehr oder minder offen kritisiert. Besonders die Touristinnen werden mit dieser Ambivalenz konfrontiert, wenn sie sich Freiheiten nehmen, die Frauen in Ländern mit weitgehend ungebrochener Männerherrschaft üblicherweise nicht zugestanden werden. Daß die Touristinnen selbst es oft genug an Sensibilität vermissen lassen, wann sie Grenze einer legitimenen „Selbstverwirklichung“ überschreiten und die Kultur eines Landes ungebührlich verletzen, ist in den letzten Jahren oft diskutiert worden. Doch niemals kann diese Problematik zu einer Entschuldigung für eine Vergewaltigung werden. Es gibt ein unveräußerliches Recht von Frauen auf die Unversehrtheit ihres Körpers, das ihnen durch nichts genommen werden kann.

Bedrückend ist, daß die Möglichkeiten, die beiden Frauen zu unterstützen, durch die besondere politische Situation in Nordzypern erheblich erschwert werden. Der Nordteil der Insel ist immer noch von der türkischen Armee besetzt und völkerrechtlich nicht anerkannt. Jede Kontaktaufnahme ist überaus mühsam. Trotz dieser Schwierigkeiten muß dennoch alles versucht werden, auf dipomatisch-politischem Wege Druck auf die zypriotischen Behörden auszuüben. Der Prozeß und das Urteil darf nicht zu einer völligen Katastrophe für die beiden Frauen werden.

Helga Lukoschat